Flughafenverfahren: Sozialpädagogin: „Kaum Zeit für Beratung“

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Sozialpädagogin: „Kaum Zeit für Beratung“
Im Transitbereich des Flughafens München werden Menschen, die bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben, festgehalten – in einer mit Stacheldraht umzäunten Unterkunft. Ein sogenanntes Flughafenverfahren wird dort schon lange praktiziert. Die Sozialpädagogin Jessica Gürtler kümmert sich seit November 2017 um die Menschen. Im Gespräch erklärt sie, wie das Verfahren abläuft. Von Susanne Schröder

Von Redaktion – 9. Juli 2018

Frau Gürtler, wie viele Menschen kommen derzeit ins Flughafenverfahren am Flughafen München?

Jessica Gürtler: Seit Anfang des Jahres ist der Zulauf recht stark. Wir hatten schon Menschen aus Kuba, Togo, Ägypten, China, Sri Lanka, Guinea, dem Kongo, der Türkei und anderen Ländern in der Unterkunft. Sie bekommen innerhalb von zwei Tagen eine Anhörung durch Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und können sich auch einen Rechtsbeistand nehmen. Einige dürfen nach Abschluss des Verfahrens nach Deutschland einreisen und werden weiter ins Münchner Ankunftszentrum vermittelt. Die anderen kommen in die Abschiebehaftanstalt Erding – oder sie warten in dieser Unterkunft, zum Teil mehrere Wochen, bis sie wieder ausreisen.
Was ist die Aufgabe der Flughafenseelsorge im Flughafenverfahren?
Jessica Gürtler: Wir signalisieren den Menschen, dass wir weder Polizei noch vom BAMF sind. Uns müssen sie nichts erklären. Wenn wir kommen, sind wir einfach für sie da. Unser Angebot orientiert sich an den individuellen Bedürfnissen. Manchmal ist es ein Gespräch, ein gemeinsames Memory-Spiel oder eine Zigarette, aber auch die Krisenintervention nach dem Ablehnungsbescheid oder der Anruf bei einer nahestehenden Person im Heimatland, den wir möglich machen.
Die meisten Menschen haben nur einen kleinen Koffer mit dem Allernötigsten bei sich. Dann organisieren wir Wechselkleidung, Hygieneartikel oder medizinische Versorgung, wenn beispielsweise Diabetiker Insulin benötigen. Die psychische Stabilisierung ist vor allem bei alleinreisenden Frauen eine wichtige Aufgabe. Nur weil sie über den Luftweg nach Deutschland gekommen sind, heißt das nicht, dass sie weniger traumatische Erfahrungen gemacht haben.
Wie funktioniert die Anhörung im Flughafenverfahren?
Jessica Gürtler: Wir erklären den Menschen ihre Rechte und Pflichten bei der BAMF-Anhörung und sagen ihnen, worum es dabei geht. Möchten sie gegen einen Ablehnungsbescheid klagen, sind wir das Bindeglied zwischen Asylsuchendem und Rechtsanwalt und vermitteln Dolmetscher. Sind die genannten Fluchtgründe nicht ausreichend, sprechen wir mit den Menschen über Optionen in ihrem Heimatland.
Werden sie in die Abschiebehaft überführt, erfolgt eine Fallübergabe mit der Kollegin in Erding. Der Austausch mit der Bundespolizei, den Anwälten und der Haftanstalt ist insgesamt sehr gut. Nur die knappen Fristen im Flughafenverfahren sind eine Herausforderung. Wenn jemand am Freitag ankommt und am Montagvormittag schon seine Anhörung hat, bleibt uns kaum Zeit für die Beratung. Das ist für die Betroffenen von Nachteil: Viele nennen aus Scham, Angst oder Unwissenheit ihre wahren Fluchtgründe nicht und werden dann abgelehnt. (epd/mig)