Monat: Oktober 2019

Türkei: Flüchtlinge rechtswidrig ins syrische Kriegsgebiet abgeschoben

Bereits Monate vor dem Einmarsch türkischer Truppen in Nordsyrien schob die Türkei syrische Flüchtlinge in das vom Krieg zerrüttete Land ab – also noch vor dem Versuch der türkischen Regierung, auf der syrischen Seite der Grenze eine sogenannte „Sicherheitszone“ einzurichten. Zu diesem Ergebnis kommt der neue Amnesty-Bericht „Sent to a war zone: Turkey’s illegal deportations of Syrian refugees“.

BERLIN, 24.10.2019 – Für den Bericht sprachen Amnesty-Experten mit Flüchtlingen, die sagten, dass sie von türkischen Polizeikräften geschlagen und bedroht worden seien. Sie seien dazu gezwungen worden, Dokumente zu unterschreiben, die belegen sollten, dass sie selbst ihre Rückkehr nach Syrien gefordert hätten. Doch tatsächlich waren sie von der Türkei zur Rückkehr in ein lebensgefährliches Kriegsgebiet gezwungen worden.

„Die Behauptung der Türkei, dass sich die syrischen Flüchtlinge selbst dazu entschieden hätten, direkt in den Konflikt zurückzukehren, ist gefährlich und unehrlich. Im Gegensatz dazu haben unsere Recherchen ergeben, dass die Menschen ausgetrickst und gezwungen wurden, zurückzugehen“, sagt Anna Shea, Expertin für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten bei Amnesty International.

„Die Türkei verdient Anerkennung dafür, dass sie in den vergangenen acht Jahren mehr als 3,6 Millionen Frauen, Männer und Kinder aus Syrien aufgenommen hat. Aber sie kann diese Großzügigkeit nicht als Vorwand dafür nehmen, Menschen in ein aktives Konfliktgebiet abzuschieben – entgegen nationaler und internationaler Rechtslage.“

Da keine offiziellen Statistiken vorliegen, ist die genaue Zahl der Abschiebungen unklar. Doch nachdem Amnesty International zwischen Juli und Oktober 2019 Dutzende Interviews geführt hatte, schätzt die Organisation, dass die Zahl der in den vergangenen Monaten Abgeschobenen in die Hunderte geht. Die türkischen Behörden behaupten, dass 315.000 Personen absolut freiwillig nach Syrien zurückgekehrt seien.

Abschiebungen nach Syrien sind rechtswidrig, da dort das Risiko extrem hoch ist, Opfer von schweren Menschenrechtsverletzungen zu werden.

„Es ist erschütternd, dass Russland diese Woche ein Abkommen mit der Türkei geschlossen hat, in dem der ‚sicheren und freiwilligen Rückkehr‘ von Flüchtlingen in eine ‚Sicherheitszone‘ zugestimmt wird, die erst noch geschaffen werden muss. Die Abschiebungen waren bisher alles andere als sicher und freiwillig – und Millionen weiterer Flüchtlinge aus Syrien sind nach wie vor in Gefahr“, sagt Anna Shea.

Abschiebungen getarnt als freiwillige Rückkehr

Einige der Abgeschobenen sagten, dass ihnen Gewalt angedroht wurde oder dass sie geschlagen wurden, um sie zu zwingen, Dokumente über ihre angeblich „freiwillige Rückkehr“ zu unterschreiben. Anderen wurde gesagt, sie würden ein Registrierungsdokument oder eine Empfangsbestätigung für eine in der Hafteinrichtung erhaltene Decke unterzeichnen beziehungsweise, dass sie mit dem Formular beantragten, in der Türkei zu bleiben.

Amnesty International hat 20 Fälle von Abschiebungen überprüft. In allen Fällen wurden die Menschen in Bussen über die Grenze gebracht, in denen Dutzende weitere Personen saßen, deren Hände mit Kabelbindern gefesselt waren und die offenbar ebenfalls abgeschoben wurden. Immer wenn Geflüchtete mit der türkischen Polizei oder den Migrationsbehörden in Kontakt sind – sei es, um ihre Dokumente verlängern zu lassen oder wenn sie auf der Straße angehalten werden, um sich auszuweisen –, besteht die Gefahr, dass sie inhaftiert oder abgeschoben werden. Den Betroffenen wurde oft gesagt, sie würden abgeschoben, weil sie nicht registriert seien oder sich nicht in der türkischen Provinz befänden, in der sie registriert sind. Allerdings sind auch schon Personen abgeschoben worden, die über einen gültigen Ausweis der Provinz verfügen, in der sie sich aufhielten.

Bei der überwältigenden Mehrheit der Abgeschobenen handelt es sich offenbar um erwachsene Männer, die in Bussen durch die Provinz Hatay zum Grenzübergang Bab al-Hawa in der syrischen Provinz Idlib gebracht werden.

Ein junger Mann namens Nabil (Name aus Sicherheitsgründen geändert) gab an, mit seiner Frau und seinem zweijährigen Sohn im Juni 2019 in Ankara festgenommen und mit mehr als 100 weiteren Menschen inhaftiert worden zu sein, unter ihnen Familien und auch drei Männer ohne Angehörige. Nabil erzählte, nach drei Tagen habe man ihnen gesagt, man würde sie in ein Lager in der Provinz Hatay bringen, aber tatsächlich wurden sie nach Idlib abgeschoben.

„Die türkischen Behörden müssen die Abschiebungen nach Syrien stoppen und sicherstellen, dass alle, die bereits abgeschoben worden sind, sicher in die Türkei zurückkehren können und dort Zugang zu grundlegender Versorgung erhalten“, so Anna Shea. „Die EU und die übrige internationale Gemeinschaft sollten mit Resettlement-Programmen die Aufnahme syrischer Flüchtlinge aus der Türkei drastisch erhöhen, anstatt ihre Energie darauf zu verwenden, möglichst viele Menschen davon abzuhalten, in ihren Ländern Asyl zu suchen.“

22 Überlebende – Bis zu 30 Tote bei Bootsunglück vor Lampedusa

MiGAZIN – Von Redaktion – 8. Oktober 2019
22 Überlebende
Bis zu 30 Tote bei Bootsunglück vor Lampedusa
Im Mittelmeer ist erneut ein Flüchtlingsboot gekentert. An Bord waren
rund 50 Menschen, darunter mehrere Kinder. 22 Flüchtlinge konnten
gerettet werden.

Bei einem Bootsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa sind
mutmaßlich bis zu 30 Flüchtlinge ums Leben gekommen. Die italienische
Küstenwache rettete in der Nacht zum Montag nach eigenen Angaben
gemeinsam mit der Finanzpolizei 22 Überlebende. Das überfüllte Boot sei
aufgrund der schlechten Wetterverhältnisse und einer plötzlichen
Bewegung der Menschen an Bord beim Anblick der sich nähernden
Rettungsschiffe gekentert, hieß es.

An der Unglücksstelle sechs Seemeilen von Lampedusa entfernt wurden
insgesamt neun Leichen geborgen. Die Küstenwache setzte die Suche nach
den übrigen Vermissten mit Hilfe eines Hubschraubers und eines
Motorbootes fort. Sie hatte am späten Sonntagabend den Notruf des Boots
erhalten, auf dem sich insgesamt rund 50 Flüchtlinge befunden haben
sollen. Die Mehrheit von ihnen soll aus Tunesien stammen. Unter den
Vermissten sind dem italienischen Rundfunk zufolge acht Kinder.
Die für Lampedusa zuständige Staatsanwaltschaft Agrigent nahm wegen des
Bootsunglücks Ermittlungen auf. Staatsanwalt Luigi Patronaggio, der auch
die Ermittlungen gegen die deutsche Kapitänin Carola Rackete geleitet
hatte, schickte einen Vertreter auf die südlich von Sizilien gelegene
Insel. Die Ermittlungen richteten sich zunächst gegen Unbekannt.

Bürgermeister fordert staatliche Seenotrettung
„Es kann nicht sein, dass weiterhin wenige Meilen von der Insel entfernt
gestorben wird“, sagte der Bürgermeister von Lampedusa, Totò Martello.
Er forderte die Wiederaufnahme einer systematischen staatlichen
Seenotrettung im südlichen Mittelmeer.
Ein Schiff der spanischen Hilfsorganisation Open Arms mit 40
Flüchtlingen an Bord wartete derweil weiter auf eine Genehmigung, in den
Hafen der Insel Malta einlaufen zu können. Unter den Flüchtlingen, die
in maltesischen Gewässern gerettet worden waren, sind nach Angaben von
Open Arms vier Kinder. (epd/mig)

Gottesdienst am 26. September, dem Vorabend des Nationalen Tag des Flüchtlings: „Wir grenzen auf“ – Menschenhandel – Zwangsprostitution-Der Mensch als Ware?

Gottesdienst am 26. September, dem Vorabend des Nationalen Tag des Flüchtlings: „Wir grenzen auf“ – Menschenhandel – Zwangsprostitution-Der Mensch als Ware?

Das war das Thema unseres diesjährigen Gottesdienstes zum Nationalen Tag des Flüchtlings. Wir blickten nach Nigeria. Dort gelten Menschenhandel und Vertreibung als große Probleme, unter denen besonders Frauen leiden. Zu Tausenden werden Mädchen und junge Frauen, die sich in finanziellen und sozialen Notsituationen befinden, aus Nigeria nach Europa gelockt und zur Prostitution gezwungen. „Wenn ich versuche zu fliehen, dann bringen sie meine Familie und mein Kind um“, sagen betroffene Frauen. Unter falschen Versprechungen werden sie von Menschenhändlerinnen, sogenannten „Madams“, angeworben. Anschließend müssen sie meist an dem Juju-Ritual eines Predigers teilnehmen. Das ist eine Art Voodoo-Zauber, der sich am traditionellen Geisterglauben orientiert.

Die Puzzleteile der Rettungsringe wurden in dem Gottesdienst mit verschiedenen Botschaften und Forderungen beschriftet.

Beim anschließenden Austausch wurden viele interessante Gespräche geführt. Danke an SOLWODI, die mit einem Infotisch vertreten waren und so direkte Unterstützungangebote und ihre Arbeit im Allgemeinen vorstellen konnten.

Auch die Postkarte an Angela Merkel mit der Forderung, sich mit allen Mitteln dafür einzusetzen, dass:

  • alle derzeit in Libyen inhaftierten Flüchtlinge und Migrant_innen unverzüglich freigelassen werden,
  • alle Menschen auf dem Mittelmeer aus Seenot gerettet und an einen sicheren Ort gebracht werden,
  • mehr sichere und legale Zugangswege für Flüchtlinge aus Libyen nach Europa geschaffen werden, auch durch die Aufnahme in engagierten Kommunen

kam zum Einsatz.
Diese Forderungen können auch Online unterstützt werden:

https://www.amnesty.de/mitmachen/petition/seenotrettung-ermoeglichen-und-sichere-zugangswege-aus-libyen-nach-europa