Kategorie: Informationen

„Seelsorge und Beratung für geflüchtete Frauen“ startet am 21. September 2017

Wir freuen uns sehr, dass nach langer Zeit der Planung das Projekt „Seelsorge und Beratung für geflüchtete Frauen“ starten kann.

Am 21. September 2017 zum ersten Mal und dann immer jeden 1. und 3. Donnerstag im Monat, von 12-14 Uhr, findet die Beratung von Frauen für Frauen in den Räumlichkeiten des Helene-Weber-Hauses im Domviertel (Bendelstraße 28-32, Aachen) statt. Das Angebot ist bewusst niedrigschwellig und umfasst ein offenes Ohr bei allen Anliegen, die gemeinsame Suche nach Lösungen und Vermittlung zu Fachstellen bis hin zur asyl- und ausländerrechtlichen Beratung und die Beratung zu frauenspezifischen Themen und Fluchtursachen. Parallel zur Beratungszeit bietet das Helene-Weber-Haus eine kostenlose Kinderbetreuung an. Auch außerhalb der Beratungszeit gibt es die Möglichkeit telefonisch Kontakt aufzunehmen.

Ansprechpartnerinnen sind wir, Yasmin Raimundo Ochoa, Seelsorgerin in der Flüchtlingsarbeit für die Regionen Aachen-Stadt und -Land im Bistum Aachen und Ingeborg Heck-Böckler, Vorstandsbeauftragte für Flüchtlingsfragen von Amnesty International in NRW, gemeinsam mit anderen Frauen aus der Asylgruppe von Amnesty International in Aachen und in Kooperation mit dem Helene-Weber-Haus, dem katholischen Forum für Erwachsenen- und Familienbildung in den Regionen Aachen-Stadt und -Land und dem Katholikenrat der beiden Aachener Regionen.

Ingeborg Heck-Böckler brachte die Idee dazu in Anlehnung an ein ähnliches Projekt in Wuppertal mit nach Aachen. Da laut UNHCR die Zahlen von Frauen auf der Flucht steigen und Frauen im Heimatland, auf der Flucht und bei der Ankunft besonders gefährdet sind Menschenrechtsverletzungen zu erleiden, antwortet dieses Projekt auf den steigenden Bedarf eines sensiblen Umgangs mit diesen Themen. Die Besonderheit dieser Kooperation liegt in der Verbindung aus Seelsorge und asylrechtlicher Beratung. Durch die Beratung zum Asylverfahren und zu aufenthaltsrechtlichen Fragen, kann Seelsorge einen geschützten Raum eröffnen, in dem die Frauen zur Ruhe kommen und Hilfe und Unterstützung dabei erfahren, ihr Leben selbstbestimmt in einem neuen Land zu gestalten.

Oxfam-Bericht: Horror in Libyen

  1. August 2017
    Libyen – Flüchtlinge You aren’t human any more – OXFAM 2017-08Horror in Libyen: Geflüchtete berichten von Folter, Vergewaltigung und Zwangsarbeit
    Wir haben Geflüchtete interviewt, die aus Libyen nach Sizilien entkommen sind. Die Aussagen zeichnen ein Bild der erschreckenden Umstände, denen Flüchtlinge und andere Migranten in Libyen ausgesetzt sind. Die EU darf Menschen in Not nicht daran hindern, Libyen in Richtung Europa zu verlassen.
    https://www.oxfam.de/ueber-uns/aktuelles/2017-08-09-horror-libyen-gefluechtete-berichten-folter-vergewaltigung

Wie geflüchtete Frauen und Mütter in Ausbildung und Arbeit finden

Pressemitteilung des Bundesfamilienministeriums
Pressemitteilung 100
Veröffentlicht am 07.08.2017

Praxishilfe für Unternehmen von DIHK und Bundesfamilienministerium

Die meisten geflüchteten Frauen wollen erwerbstätig sein, doch finden sie ungleich schwerer als Männer in Beschäftigung. Mit einer Praxishilfe wenden sich der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und das Bundesfamilienministerium an Unternehmen, um das Potential neu zugewanderter Frauen und Mütter für den Arbeitsmarkt zu erschließen.

Bundesfamilienministerin Dr. Katarina Barley: „Der Großteil der geflüchteten Mütter will hier Geld verdienen und ist hoch motiviert. Die Hälfte hat bereits in der Heimat gearbeitet. Mit einer Erwerbsperspektive integrieren wir nicht nur die geflüchteten Frauen, sondern mit ihnen die ganze Familie. Denn Mütter sind Vorbilder für ihre Kinder.“

DIHK-Präsident Dr. Eric Schweitzer betont: „Der Wunsch zu arbeiten ist unter den geflüchteten Frauen hoch. Passende Unterstützungsangebote sind daher wichtig. Unternehmen können einen wichtigen Beitrag leisten. Jedoch ist der parallele Ausbau der Betreuungsinfrastruktur dafür eine wichtige Voraussetzung. Daneben ist eine ausreichende Flexibilität für die Unternehmen bei der Gestaltung von Vereinbarkeitsmodellen sehr wichtig. Um die Erwerbsbeteiligung geflüchteter Frauen zu steigern, müssen wir sie gleichzeitig beim Sprach- und Qualifikationserwerb unterstützen.“

500.000 Mädchen und Frauen haben zwischen 2012 und 2016 in Deutschland Schutz gesucht. Drei Viertel der Frauen haben Kinder. Über die Hälfte aller geflüchteten Frauen stehen jetzt oder zukünftig dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zur Verfügung. „Für viele Frauen ergibt sich nach ihren eigenen Angaben erst in Deutschland eine wirkliche, realistische Perspektive auf eine eigene Berufstätigkeit“, heißt es in der IAB-BAMF-SOEP-Befragung Geflüchteter. Bevor sie diese Chance nutzen können, bringen die ersten Schritte in den Beruf auch lebensnahe Herausforderungen mit sich. Denn viele Frauen sehen sich alleine für die Kinderbetreuung verantwortlich. Da rund zwei Drittel der geflüchteten Frauen noch keine berufliche Ausbildung hat, fehlt es zudem an Qualifikation.

Die Praxishilfe von DIHK und Bundesfamilienministerium zeigt mit Hinweisen auf Förderung, gute Beispiele und Unterstützungsangebote auf, welche Brücken in Ausbildung und Beruf führen. So unterstützt das ESF-Programm „Stark im Beruf“ des Bundesfamilienministeriums an 80 Standorten bundesweit den beruflichen Einstieg von Müttern mit Migrationshintergrund, darunter auch geflüchtete Mütter.

Das IHK-Aktionsprogramm „Ankommen in Deutschland – Gemeinsam unterstützen wir Integration“ und das NETZWERK Unternehmen integrieren Flüchtlinge bieten Unternehmen Unterstützung bei allen Fragen rund um die Integration von geflüchteten Frauen und Männern in Ausbildung und Beschäftigung.

Links

Broschüre „Perspektiven bieten. So gelingt der Berufseinstieg geflüchteter Frauen. Eine Praxishilfe für Unternehmen“

www.bmfsfj.de/perspektiven-bieten

„Stark im Beruf“

http://www.starkimberuf.de/

„Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge“

Netzwerk

Mossul: Amnesty dokumentiert Missbrauch von Zivilisten als menschliche Schutzschilde und wie die US-geführte Koalition Opfer unter der Bevölkerung in Kauf nimmt

• Neuer Bericht dokumentiert, wie Zivilpersonen zwischen die Fronten in Mossul geraten sind
• „Islamischer Staat“ missbrauchte Menschen in West-Mossul gezielt als menschliche Schutzschilde: Bewohner wurden in ihren Häusern eingesperrt und die Türen verschweißt oder vermint. Wer fliehen wollte, wurde umgebracht; die Leichen wurden zur Abschreckung an Strommasten gehängt
• Irakische Streitkräfte und US-geführte Koalitionstruppen setzen unpräzise Waffen ein und töten Tausende Zivilpersonen. In einigen Fällen könnten diese Menschenrechtsverletzungen Kriegsverbrechen darstellen

BERLIN, 10.07.2017 – Ein neuer Bericht von Amnesty International zeigt die hohe Anzahl verletzter, traumatisierter und getöteter Zivilisten im Kampf um Mossul. Der Bericht dokumentiert, wie die bewaffnete Gruppe „Islamischer Staat“ (IS) Zivilpersonen aus Nachbardörfern gezielt in die umkämpften Gebiete von West-Mossul brachte, sie dort festsetzte und als menschliche Schutzschilde missbrauchte. Gleichzeitig ergriffen die irakischen Streitkräfte und die Koalitionstruppen keine angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung, sondern setzten Waffen ein, die in bevölkerungsreichen Gegenden niemals eingesetzt werden dürfen.

Der englischsprachige Bericht „At any cost: The civilian catastrophe in West Mosul, Iraq“ deckt die Kampfhandlungen in West-Mossul von Januar bis Mitte Mai 2017 ab. Vertreter von Amnesty International sprachen dafür unter anderem mit 151 Bewohnern von West-Mossul sowie mit medizinischem Personal und Rüstungsexperten. Der Bericht dokumentiert insgesamt 45 Angriffe, bei denen mindestens 426 Zivilpersonen getötet und mehr als 100 verletzt wurden. Er analysiert neun Angriffe durch irakische Streitkräfte und die US-geführten Koalitionstruppen.

„Es darf keine Straflosigkeit für die Gräueltaten geben, die die Zivilbevölkerung in Mossul erleiden musste. Auch die absolute Missachtung menschlichen Lebens seitens aller Konfliktparteien darf nicht unbestraft bleiben. Ganze Familien wurden ausgelöscht, und viele der Toten liegen nach wie vor unter dem Schutt der Stadt begraben. Die Bewohner von Mossul haben ein Recht darauf, von ihrer Regierung Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu erfahren“, sagt Lynn Maalouf, Nahost-Expertin bei Amnesty International.
„Es muss umgehend eine unabhängige Kommission eingesetzt werden, um mögliche völkerrechtliche Verstöße zu untersuchen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen müssen veröffentlicht werden.“

Seit Oktober 2016 vertreibt der „Islamische Staat“ systematisch Zivilpersonen aus Nachbardörfern in von ihm kontrollierte Gegenden, wo sie als menschliche Schutzschilde missbraucht werden. Abu Haidar (Name geändert) wurde zur Umsiedlung nach West-Mossul gezwungen. Der Mann aus der Ortschaft Tel Arbeed berichtete Amnesty International:
„Der [IS] sagte, du musst gehen, sonst wirst du umgebracht. Wir wurden als menschliche Schutzschilde dorthin gebracht. Sie wollten, dass wir zwischen ihnen und den Geschossen stehen. Dies alles geschah kurz vor Beginn des Einsatzes um West-Mossul … Immer wenn die irakischen Truppen vorrückten, fiel der IS zurück – und zwang den Großteil der Zivilbevölkerung, ihm zu folgen.“

Um zu verhindern, dass Zivilpersonen sich in Sicherheit brachten, schloss der IS die Menschen mittels verschweißter Türen und Sprengfallen in ihren Häusern ein. Hunderte, wenn nicht gar Tausende Personen, die zu fliehen versuchten, wurden hingerichtet.
Hasan (Name geändert) sprach mit Amnesty International darüber, wie Menschen, die versucht hatten zu fliehen, an Strommasten aufgehängt wurden: „Wir hatten keine Wahl. Wer blieb, der starb irgendwann infolge der Kampfhandlungen in seinem Haus. Wer floh, der wurde aufgegriffen und getötet und als Abschreckung an einem Strommast aufgehängt. Vier meiner Nachbarn wurden bei einem Fluchtversuch erwischt, und ich habe sie an Strommasten hängen sehen. Tagelang hingen sie dort. Zwischen 15 und 50 Menschen wurden so an den Strommasten aufgehängt.“

Weil der IS die Zivilbevölkerung in umkämpfte Gebiete zwang und sie an der Flucht hinderte, füllten sich die vom IS kontrollierten Gegenden in West-Mossul im Zuge der Kampfhandlungen zunehmend mit Zivilisten. Doch die irakischen Streitkräfte und US-geführten Koalitionstruppen passten ihre Taktiken nicht an diese neue Situation an. Sie setzten stattdessen weiterhin unpräzise explosive Waffen ein, die in bevölkerungsreichen Stadtgebieten verheerende Schäden anrichteten.

„Die Tatsache, dass der IS Menschen als Schutzschilde einsetzt, entbindet die Truppen der Gegenseite nicht von ihrer rechtlichen Verpflichtung, Zivilpersonen zu schützen. Bei der militärischen Planung muss man den Einsatz von Waffen ganz besonders sorgfältig bedenken, um sicherzustellen, dass diese Angriffe sich im völkerrechtlichen Rahmen bewegen“, so Lynn Maalouf.

Amnesty International hat dokumentiert, wie die US-geführten Koalitionstruppen und irakischen Streitkräfte bei ihren Angriffen regelmäßig ihr militärisches Angriffsziel verfehlten und stattdessen Zivilpersonen verletzten oder töteten oder zivile Objekte beschädigten oder zerstörten. In einigen Fällen kann die Verletzung oder Tötung von Zivilpersonen offenbar entweder auf unangemessen schwere Waffen oder unzureichende Sorgfalt bei der Identifizierung militärischer Ziele hinweisen.

Auch Angriffe, bei denen das militärische Ziel offenbar getroffen wurde, zogen vermeidbare Verluste unter der Zivilbevölkerung nach sich. Allem Anschein nach wurden unverhältnismäßig schwere Waffen eingesetzt. So wurden beispielsweise am 17. März bei einem Luftangriff der USA auf Mossul mindestens 105 Zivilpersonen getötet. Ziel dieses Angriffs auf den Stadtteil al-Jadida waren zwei IS-Scharfschützen.

„Die irakischen Streitkräfte und US-geführten Koalitionstruppen müssen dafür sorgen, dass der Kampf gegen den IS – und zwar nicht nur in Mossul, sondern auch anderswo im Irak und in Syrien – in einer Weise geführt wird, die mit dem Völkerrecht und internationalen Standards vereinbar ist. Alle an diesen Kämpfen beteiligten Staaten müssen sich neben dem militärischen Aspekt auch darauf konzentrieren, Ressourcen bereitzustellen, um die Notlage der vom IS festgesetzten und misshandelten Zivilbevölkerung zu mindern“, so Lynn Maalouf.

Den vollständigen Bericht in englischer Sprache finden Sie auf: bit.ly/AmnestyIrak

Neuer Amnesty-Bericht: EU versagt beim Schutz von Flüchtlingen aus Libyen auf dem Mittelmeer

Neuer Amnesty-Bericht: EU versagt beim Schutz von Flüchtlingen aus Libyen auf dem Mittelmeer
Amnesty International fordert die EU dazu auf, ihrer Verantwortung bei der Seenotrettung gerecht zu werden. Andernfalls droht 2017 zum tödlichsten Jahr für Flüchtlinge und Migranten bei der Überquerung des Mittelmeers zu werden. Gerettete Menschen dürfen nicht nach Libyen gebracht werden, wo sie Missbrauch, Vergewaltigung und Folter ausgeliefert sind.

BERLIN, 05.07.2017 – Die 2017 wieder deutlich gestiegene Zahl der Todesopfer im Mittelmeer ist auch auf ein Versagen der Europäischen Union zurückzuführen. Das geht aus dem neuen Amnesty-Bericht „A perfect storm: The failure of European policies in the Central Mediterranean“ hervor. Amnesty kritisiert, dass die EU ihre Verantwortung zur Seenotrettung auf Nichtregierungsorganisationen abwälzt sowie verstärkt die für Menschenrechtsverletzungen bekannte libysche Küstenwache unterstützt. So verhindert die EU Migration und Flucht.

„Die EU versucht durch ihre Kooperation mit der libyschen Küstenwache zu verhindern, dass Flüchtlinge und Migranten Italien erreichen. Doch ihre wichtigste Aufgabe ist es, Leben zu retten und Menschenrechte zu schützen“, sagt Dr. René Wildangel, Experte für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International in Deutschland. „Die libysche Küstenwache kann Menschen vor dem Ertrinken bewahren, doch wenn sie diese Menschen zurück nach Libyen bringt, kann man das nur schwer als echte Rettung bezeichnen“, so Wildangel. „Flüchtlinge und Migranten werden in Libyen weiterhin inhaftiert, missbraucht, vergewaltigt und gefoltert. Die geretteten Menschen müssen an einen sicheren Ort gebracht werden – und solche Orte gibt es in Libyen aktuell nicht.“

Der libyschen Küstenwache werden schwere Menschenrechtsverstöße vorgeworfen. So belegt zum Beispiel ein UN-Bericht vom Juni 2017, dass die Küstenwache mehrfach Flüchtlingsboote beschossen hat und gerettete Menschen schwer misshandelt wurden.
„Eine Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache darf nur erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass sie nicht wie bisher massiv gegen Menschenrechtsstandards verstößt“, so Wildangel. „Rettungseinsätze der EU oder von Nichtregierungsorganisationen dürfen von der libyschen Küstenwache nicht behindert werden.“

2015 hatte die Europäische Union ihre Kapazitäten für Seenotrettung aufgestockt und ihr Einsatzgebiet bis nah an libysche Gewässer ausgeweitet – und so dazu beigetragen, dass deutlich weniger Menschen im Mittelmehr ertranken.
Mittlerweile liegt der Fokus der EU allerdings auf dem Kampf gegen Schmuggler und gegen das Ablegen von Booten in Libyen. Das hat dazu geführt, dass Flüchtlinge und Migranten größere Risiken bei der Überfahrt auf sich nehmen. Allein in diesem Jahr sind bereits mehr als 2000 schutzsuchende Menschen im Mittelmeer ertrunken.

„Sehenden Auges steuert die EU auf eins der tödlichsten Jahre vor ihren Küsten zu. Dabei hätte sie die Mittel, um dem massenhaften Sterben ein Ende zu bereiten: Wenn sie mehr Schiffe und mehr Personal für die Seenotrettung einsetzen und endlich legale und sichere Zugangswege für Flüchtlinge schaffen würde, wie zum Beispiel humanitäre Aufnahmeprogramme und Resettlement“, sagt Wildangel.

Italien droht mit Hafensperre für Flüchtlingsschiffe

http://www.fr.de/politik/flucht-zuwanderung/druck-auf-eu-italien-droht-mit-hafensperre-fuer-fluechtlingsschiffe-a-1304609

Mehr Sicherheit und Unterstützung für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge

Pressemitteilung des Bundesfamilienministeriums
Pressemitteilung 067

Bundesinitiative legt überarbeitete und erweiterte Leitlinien zum Schutz von Bewohnern von Flüchtlingsunterkünften vor

Zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni 2017 haben das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und UNICEF überarbeitete sowie erweiterte „Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“ herausgegeben. Die unter der fachlichen Beteiligung von vielen Partnern erarbeitete Neuauflage enthält erstmals auch Leitlinien zum Schutz von Geflüchteten mit Behinderungen und LSBTI* Geflüchteten.

Neben Kindern, Jugendlichen und Frauen stehen diese beiden Personengruppen in Flüchtlingsunterkünften vor besonders großen Problemen. Trotz einiger positiver Beispiele können der Schutz vor Gewalt und Missbrauch sowie eine uneingeschränkte Teilhabe und bedarfsgerechte Versorgung in Flüchtlingsunterkünften noch nicht flächendeckend gewährleistet werden. Vielerorts sind Unterkünfte weder kindgerecht, sicher, noch barrierefrei.

Bundesfamilienministerin Dr. Katarina Barley: „Wir brauchen dringend eine bundesgesetzliche Regelung, die Träger von Flüchtlingsunterkünften zur Einführung von Schutzkonzepten verpflichtet. Wir haben dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt, der aktuell in der Abstimmung ist. Bei der Einführung von Schutzkonzepten können die erweiterten Mindeststandards als wichtige Orientierungshilfe dienen.“

„Behörden sowie die Träger und Mitarbeiter von Flüchtlingsunterkünften haben die Pflicht, den Schutz und die Unterstützung für alle Bewohner der Einrichtungen – insbesondere für Kinder, Jugendliche und Frauen – sicherzustellen“, sagt Kirsten Di Martino, Country Coordinator, Refugee and Migrant Response – Germany, UNICEF. „Während es das oberste Ziel sein muss, geflüchtete Menschen möglichst schnell in einer eigenen Wohnung unterzubringen, muss gleichzeitig alles dafür getan werden, den in Flüchtlingsunterkünften lebenden Menschen ein schützendes und förderndes Umfeld zu bereiten.“

Das Bundesfamilienministerium und UNICEF entwickelten bereits 2016 Mindeststandards, um den Schutz von Kindern, Jugendlichen und Frauen in Flüchtlingsunterkünften zu gewährleisten sowie den Zugang zu Bildungsangeboten und psychosozialer Unterstützung zu verbessern. Sie erstrecken sich insbesondere auf die Bereiche Personal, strukturelle und bauliche Voraussetzungen, Prävention von und Umgang mit Gewalt- und Gefährdungssituationen sowie dem Monitoring der erzielten Fortschritte.

Die Neuauflage der Mindeststandards basiert auf den aktuellen Lebensumständen von Bewohnern von Flüchtlingsunterkünften und deren Rückmeldungen. So befragte Plan International Deutschland geflüchtete Kinder und Erwachsene zu ihrem Schutz in Flüchtlingsunterkünften. Im Rahmen von Gesprächsgruppen und Workshops schilderten 138 geflüchtete Kinder, Frauen und Männer aus Hamburger Unterkünften ihre Perspektive. Ihr Feedback teilte Plan International Deutschland mit dem Bundesfamilienministerium.

Hinzu kommen die Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Behörden sowie Praktikern und Verantwortlichen in der Flüchtlingshilfe. Als Konsequenz aus diesen Konsultationen enthält die Neufassung neben den zusätzlichen Kapiteln zur Umsetzung der Mindeststandards für LSBTI* Geflüchtete sowie geflüchtete Menschen mit Behinderungen beispielsweise auch überarbeitete Leitlinien zum Monitoring und der Datenerfassung in Flüchtlingsunterkünften.

Die Entwicklung, Überarbeitung und Erweiterung der Mindestschutzstandards fand unter der Federführung des BMFSFJ und UNICEF statt. Fachlich beteiligt waren unter anderem die Arbeiterwohlfahrt, die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V., der bundesweite Koordinierungskreis gegen Menschenhandel, der Paritätische Gesamtverband, der Deutsche Caritasverband, das Deutsche Institut für Menschenrechte, die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung, das Deutsche Rote Kreuz, die Diakonie Deutschland, die Frauenhauskoordinierung, das International Rescue Commitee Deutschland, medica mondiale, Plan International Deutschland, Save the Children Deutschland, die Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention, TERRE DES FEMMES, der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs sowie zahlreiche weitere Verbände, Organisationen und Akteure der Zivilgesellschaft.

Die überarbeitete Ausgabe der „Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“ steht unter folgendem Link zum Download bereit:

www.bmfsfj.de/mindeststandards

Die Überarbeitung der Mindeststandards erfolgte im Rahmen der „Initiative zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“, die im Frühjahr 2016 gemeinsam vom BMFSFJ und UNICEF ins Leben gerufen wurde. Das BMFSFJ stellt Mittel für bundesweit 100 Koordinatoren für Gewaltschutz in Flüchtlingsunterkünften bereit. Zusammen mit den Leitern der Unterkünfte entwickeln die Gewaltschutzkoordinatoren spezifische Schutzkonzepte und setzen diese um. UNICEF unterstützt über ein Schulungsprogramm die Mitarbeiter der Einrichtungen hierbei sowie bei der Entwicklung kinderfreundlicher Orte und Angebote und dem Monitoring der erzielten Fortschritte. Für die Umsetzung baulicher Schutzmaßnahmen in Flüchtlingsunterkünften können Kommunen vergünstigte Investitionskredite bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Anspruch nehmen:

https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Öffentliche-Einrichtungen/Kommunale-soziale-Basisversorgung/Sonderförderung-Flüchtlinge/

Weitere Informationen unter: www.gewaltschutz-gu.de und www.bmfsfj.de/mindeststandards

Abschiebungen nach Afghanistan stoppen – Schwerwiegende Mängel bei Asylverfahren gefährden Menschenleben

Amnesty International, die Arbeiterwohlfahrt, Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein, Der Paritätische Gesamtverband, Diakonie Deutschland, Jesuiten-Flüchtlingsdienst, Neue Richtervereinigung e. V., PRO ASYL und Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. kritisieren die Entscheidungspraxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bei afghanischen Asylsuchenden

BERLIN, 30.05.2017 – Anlässlich eines weiteren für den 31. Mai zu erwartenden Abschiebungsflugs nach Afghanistan fordern Menschenrechtsorganisationen und Verbände einen sofortigen Stopp aller Abschiebungen nach Afghanistan. Wegen schwerwiegender Mängel bei Asylverfahren von afghanischen Asylsuchenden befürchten die Organisationen, dass nach fehlerhaften Asylverfahren abgelehnte Afghanen demnächst abgeschoben werden und dadurch ihr Leben aufs Spiel gesetzt wird.

Bisher wurde in diesem Jahr rund die Hälfte aller Asylanträge von Afghanen abgelehnt, während die bereinigte Schutzquote im Jahr 2016 noch 60 Prozent und 2015 sogar 78 Prozent betrug. Dabei fällt den Organisationen bei der Prüfung von ablehnenden Bescheiden auf, dass neue Informationen zur gefährlichen Lage in Afghanistan nicht berücksichtigt werden, unter anderem jene, die das UN-Flüchtlingswerk zur Verfügung stellt. Dies ist aber sowohl rechtlich verpflichtend als auch unerlässlich angesichts der sich stetig verschlechternden Sicherheitslage in Afghanistan.

Auch wird in den Bescheiden immer wieder auf das Bestehen einer inländischen Fluchtalternative verwiesen. Tatsächlich hat sich jedoch der bewaffnete Konflikt mittlerweile über die ursprünglichen Kampfgebiete hinaus ausgeweitet – Menschen können überall Opfer von Kampfhandlungen, Anschlägen und Verfolgung werden. Dies ist während der derzeit stattfindenden Frühjahrsoffensive der Taliban deutlich zu beobachten. Die Sicherheitslage in Afghanistan ist so unberechenbar, dass auch der UNHCR eine Unterscheidung von „sicheren“ und „unsicheren“ Gebieten ablehnt. Wegen des bewaffneten Konflikts hat sich die Zahl der Binnenvertriebenen in den vergangenen drei Jahren fast verdoppelt und liegt bei 1,4 Millionen. Seit Anfang des Jahres mussten erneut mehr als 90.000 Menschen ihre Häuser verlassen (Stand 6.5.2017).

Auch die NATO plant, den Militäreinsatz aufgrund der verschlechterten Sicherheitslage wieder deutlich zu verstärken. Weder staatliche noch internationale Akteure sind in der Lage, sich selbst oder abgeschobene Flüchtlinge zu schützen. In Kabul kommt es beispielsweise regelmäßig zu Anschlägen auf Zivilisten, die viele Menschenleben fordern – dass die Bundesregierung die Stadt trotzdem als sicher genug einstuft, um monatlich mehrere Afghanen dorthin abzuschieben, halten die Organisationen für zynisch.

Der Fall des Bundeswehr-Offiziers Franco A. hat ein Schlaglicht auf verschiedene Probleme beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geworfen, insbesondere die mangelhafte Durchführung der Asylverfahren, die unzureichende Ausbildung des Personals, die Trennung von Anhörer und Entscheider sowie die unzureichende interne Qualitätskontrolle. Als Konsequenz reicht es aber nicht, die positiv beschiedenen Fälle der im Fall des Franco A. Verantwortlichen zu prüfen. Stattdessen müssen sofort die Qualitätsüberprüfung im Bundesamt aufgestockt und besser aufgestellt werden sowie die bekannten Mängel im Asylverfahren behoben werden. Das BAMF muss so organisiert sein, dass eine lückenlose Kontrolle der Entscheidungen im Hause selbst vor der Zustellung an Asylantragsteller die Regel ist.
Die Organisationen befürchten, dass durch mangelhaft durchgeführte Anhörungen in der Sache falsche Ablehnungen zustandekommen – was für die Betroffenen dramatische Folgen haben kann, wie schlimmstenfalls die Abschiebung in die Verfolgung. Die Qualität der Asylverfahren darf nicht dem politischen Willen zum Abbau der Altfälle bis zur Bundestagswahl geopfert werden.

Für die schon länger mit einer Duldung in Deutschland lebenden Afghanen hat sich die Situation durch die letzten Gesetzesänderungen, wie dem Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht, verschärft, indem diese Abschiebungen erleichtern. Hier gilt es dringend zu prüfen, ob die vor mehreren Jahren abgelehnten Afghanen nicht wegen der sich verschlechterten Sicherheitslage einen Anspruch auf Schutz haben.

Deutschland hat eine völkerrechtliche Verpflichtung, Asylsuchenden ein faires und sorgfältiges Asylverfahren zu bieten und nicht in Länder abzuschieben, in denen den Menschen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Die Organisationen appellieren deswegen gemeinsam an Bund und Länder, Asylgesuche mit der notwendigen Sorgfalt zu prüfen sowie alle Abschiebungen nach Afghanistan zu stoppen.

Hintergrund: Bereits am 30. November 2016 haben in der Flüchtlingsarbeit tätige Organisationen das „Memorandum für faire und sorgfältige Asylverfahren“veröffentlicht.

Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn

Europäische Kommission – Pressemitteilung
Kommission unternimmt weitere Schritte im asylrechtsbezogenen Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn

Brüssel, 17. Mai 2017

Die Europäische Kommission hat heute beschlossen, das asylrechtsbezogene Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn voranzutreiben, und Ungarn ein entsprechendes ergänzendes Aufforderungsschreiben übermittelt.

Nachdem in den letzten Wochen mehrere Kontakte auf politischer und technischer Ebene mit den ungarischen Behörden stattfanden, hat die Kommission nun mit diesem Schreiben, in dem die Bedenken aufgrund der Änderungen am ungarischen Asylrecht vom März dieses Jahres dargelegt werden, weitere Schritte in einem Vertragsverletzungsverfahren ergriffen, das sie im Dezember 2015 eingeleitet hatte.

Nach Auffassung der Kommission wurden von den fünf in dem Aufforderungsschreiben von 2015 festgestellten Problemen drei noch nicht gelöst, insbesondere im Bereich der Asylverfahren. Außerdem wird in dem Schreiben auf neue unvereinbare Bestimmungen des ungarischen Asylrechts infolge der jüngsten Änderungen hingewiesen. Die Unvereinbarkeiten treten hauptsächlich in drei Bereichen auf: bei den Asylverfahren, den Vorschriften für die Rückkehr und den Aufnahmebedingungen.

Die Kommission ist der Auffassung, dass die ungarischen Rechtsvorschriften gegen das EU-Recht verstoßen, insbesondere gegen die Richtlinie 2013/32/EU über Asylverfahren, die Richtlinie 2008/115/EG über Rückführungen, die Richtlinie 2013/33/EU über Aufnahmebedingungen und gegen mehrere Bestimmungen der EU-Grundrechtecharta.

Was die Asylverfahren angeht, so können Anträge nach ungarischem Recht nur innerhalb spezieller Transitzonen an den Grenzen gestellt werden, während zugleich der Zugang zu diesen Zonen beschränkt wird. Dadurch wird ein wirksamer Zugang zu Asylverfahren im Hoheitsgebiet des Landes verhindert. Die Verfahren an der Grenze entsprechen nicht den im EU-Recht festgelegten Bedingungen und die besonderen Garantien für schutzbedürftige Personen werden nicht eingehalten. Die Verkürzung der Frist für das Einlegen von Rechtsmitteln verstößt gegen das Grundrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf.

Ferner verstößt das ungarische Asylrecht gegen die EU-Vorschriften über die Rückkehr illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger. Die Kommission ist darüber besorgt, dass Ungarn derzeit Migranten (einschließlich Asylbewerber), die irregulär die Grenze überschreiten, nach Serbien rückführt, ohne sich an die Verfahren und Bedingungen des EU-Rechts im Bereich Rückkehr und Asyl zu halten. Einzelne Rückkehrentscheidungen werden von Ungarn nicht wie erforderlich erlassen.

Im Übrigen kommt die systematische und unbefristete Ingewahrsamnahme von Asylbewerbern, darunter Kinder über 14 Jahren, in geschlossenen Einrichtungen in der Transitzone, ohne dass die erforderlichen Verfahrensgarantien wie das Recht auf einen Rechtsbehelf eingehalten werden, nach Ansicht der Kommission systematischen Inhaftierungen gleich. Diese verstoßen gegen die EU-Rechtsvorschriften über Aufnahmebedingungen und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Die ungarischen Rechtsvorschriften garantieren nicht die erforderlichen materiellen Leistungen für Asylbewerber, was eine Verletzung der EU-Vorschriften in diesem Bereich bedeutet.

In ihrer Antwort auf das Aufforderungsschreiben vom Dezember 2015 gingen die ungarischen Behörden nicht auf die Bedenken der Kommission ein. Die Kommission äußerte ihre zusätzlichen Bedenken bezüglich der im März 2017 eingeführten Änderungen der ungarischen Asylrechtsvorschriften und organisierte mehrere Zusammenkünfte auf Expertenebene und politischer Ebene, um die ungarischen Behörden dabei zu unterstützen, die neuen Rechtsvorschriften an die Standards und Vorschriften der EU anzupassen. Die ungarische Regierung beschloss jedoch, keine Änderungen an den betreffenden Rechtsvorschriften vorzunehmen.

Deshalb hat die Kommission nach ihrem ersten Aufforderungsschreiben Ungarn heute ein zweites Schreiben dieser Art übermittelt. Die ungarischen Behörden haben nun zwei Monate Zeit, darauf zu reagieren. Zugleich wird die Kommission weiterhin bilaterale Kontakte auf politischer und technischer Ebene pflegen, um die ungarischen Behörden bei der Lösung der noch bestehenden Probleme zu unterstützen.

Hintergrund

Ein Aufforderungsschreiben stellt als erstes offizielles Auskunftsersuchen die erste Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens dar. Die ungarischen Behörden haben dann zwei Monate Zeit, um auf die Argumente der Europäischen Kommission zu reagieren. Erhält die Kommission von Ungarn keine oder keine zufriedenstellende Antwort auf das Schreiben, kann sie die nächste Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens einleiten und Ungarn eine mit Gründen versehene Stellungnahme übermitteln. Erforderlichenfalls kann die Kommission anschließend beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage einreichen.

Die Neufassung der Asylverfahrensrichtlinie (Richtlinie 2013/32/EU) regelt, wie Asyl beantragt wird, wie der Antrag geprüft wird, welche Hilfe der Asylbewerber erhält, welche Rechtsschutzmöglichkeiten er hat und wie mit Mehrfachanträgen zu verfahren ist. Sie gilt für alle Anträge auf internationalen Schutz, die im Hoheitsgebiet – auch an den Grenzen, in den Hoheitsgewässern oder in den Transitzonen – der Mitgliedstaaten gestellt werden.

Die Neufassung der Richtlinie über Aufnahmebedingungen (Richtlinie 2013/33/EU) soll Asylsuchenden in der EU einen würdigen Lebensstandard garantieren und sicherstellen, dass die Menschenrechte dieser Personen geachtet werden. So sollen Asylbewerber Zugang zu Unterkunft, Verpflegung, Bekleidung, Gesundheitsfürsorge und Schulunterricht für Minderjährige sowie unter bestimmten Bedingungen Zugang zu Beschäftigung haben. Zudem enthält sie Vorschriften in Bezug auf besonders schutzbedürftige Asylbewerber und über die Inhaftnahme.

In der Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG) werden gemeinsame Normen und Verfahren für die EU-Länder festgelegt, nach denen illegal aufhältige Drittstaatsangehörige aus ihren Hoheitsgebieten verbracht werden können. Sie enthält Bestimmungen für die Beendigung illegaler Aufenthalte, für die Inhaftnahme von Drittstaatsangehörigen mit dem Ziel der Abschiebung und für Verfahrensgarantien.

Weitere Informationen

Kommission leitet gegen Ungarn Vertragsverletzungsverfahren wegen asylrechtlicher Verstöße ein (Pressemitteilung vom 10. Dezember 2015).

Überwachung der Rechtsvorschriften der EU im Bereich Inneres

Zu den wichtigsten Beschlüssen in den Vertragsverletzungsverfahren vom Mai 2017 siehe MEMO/17/1280.

Zu den Vertragsverletzungsverfahren (nur Aufforderungsschreiben) vom Mai 2017 siehe MEMO/17/1281.

Zum Vertragsverletzungsverfahren allgemein MEMO/12/12 (und Infografik).

Zum EU-Vertragsverletzungsverfahren.

IP/17/1285

Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht baut rechtsstaatliche Standards ab

Amnesty International kritisiert mehrere Punkte am geplanten Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht, das unter anderem Verschärfungen bei der Abschiebungshaft vorsieht

BERLIN, 18.05.2017 – „Es droht eine Zweckentfremdung: Die Abschiebungshaft muss ausschließlich die Ausreise sichern – sie darf unter keinen Umständen als menschenrechtswidrige Präventivhaft genutzt werden, um Menschen aus dem Verkehr zu ziehen, bei denen keine ausreichenden Hinweise für eine polizeiliche Festnahme vorliegen“, sagt Maria Scharlau, Völkerrechtsexpertin bei Amnesty International in Deutschland. „Die Bundesregierung baut durch dieses Gesetz mehrere rechtsstaatliche Hürden ab, die vor unverhältnismäßiger Inhaftierung schützen sollen.“ Die Abschiebungshaft soll mit dem Gesetz auch für Ausreisepflichtige ermöglicht werden, wenn sie als nicht näher definierte „erhebliche Gefahr für Leib und Leben“ anderer eingeschätzt werden können. Für die maximale Dauer der Abschiebungshaft von 18 Monaten werden die Hürden gesenkt.

Dasselbe Gesetz ermöglicht dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auch das Auslesen der Handys von Asylsuchenden zur Feststellung ihrer Identität. „Es ist eine zulässige Überlegung, in Fällen mit begründetem Verdacht auf Identitätstäuschung auf Informationen aus dem Handy von Asylsuchenden zuzugreifen. Aber die nun vorgesehenen Eingriffe in die Privatsphäre Zehntausender Menschen sind massiv und müssen an strenge Bedingungen geknüpft sein – das Auslesen von Smartphones ermöglicht schließlich einen umfassenden Einblick in die Persönlichkeit. Nicht umsonst hat das Bundesverfassungsgericht das Auslesen privater Datenträger mit einer Hausdurchsuchung verglichen“, so Scharlau. Amnesty befürchtet, dass diese Maßnahme in vielen Fällen das Menschenrecht auf Privatsphäre verletzen wird.
Laut Referentenentwurf sollen bis zu 60 Prozent der Antragsteller betroffen sein – der massive Grundrechtseingriff könnte also bei Asylsuchenden zur unverhältnismäßigen Routinemaßnahme werden. Anstatt auf die im Vorfeld geäußerte breite Kritik der Zivilgesellschaft und auch der Bundesdatenschutzbeauftragten einzugehen, hat die Regierungskoalition den Gesetzentwurf in mehreren Punkten noch weiter verschärft.

Der aktuelle Gesetzesentwurf steht in einer Reihe von Gesetzen zur inneren Sicherheit, die verschiedene aus menschenrechtlicher und rechtsstaatlicher Sicht kritische Aspekte beinhalten. Das vor Kurzem verabschiedete neue Bundeskriminalamtsgesetz ermöglicht zum Beispiel weitgehende Grundrechtseingriffe gegen sogenannte „Gefährder“. Die Definition im BKA-Gesetz ist so vage, dass unklar bleibt, welches Verhalten die massiven Grundrechtseingriffe auslösen kann. Hier schafft das BKA-Gesetz keine ausreichende Rechtssicherheit. Wer bislang aus Sicht der Polizei weder eine konkrete Gefahr darstellt noch gegen Strafgesetze verstoßen hat, darf nicht einfach „auf Verdacht“ mit einer Fußfessel oder Überwachungsmaßnahmen belangt werden.

Amnesty betont, dass auch im Rahmen von Gesetzen zur Gewährleistung der Sicherheit Grundrechtseingriffe den rechtstaatlichen und menschenrechtlichen Erfordernissen genügen und verhältnismäßig sein müssen.