Bundesrat: Maghreb-Staaten keine sicheren Herkunftsländer
10. März 2017 – Der Bundesrat hat das Gesetz über die Einstufung der Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien als „sichere“ Herkunftsstaaten abgelehnt.
„Das Konzept der ’sicheren‘ Herkunftsstaaten ist grundsätzlich unvereinbar mit dem Menschenrecht, Asyl zu suchen. Die gesetzliche Einschätzung zur Sicherheit eines Herkunftslandes führt zu gravierenden Einschränkungen im Asylverfahren. Es gehört zu den menschenrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik, jedem schutzsuchenden Menschen ein faires und unvoreingenommenes Asylverfahren zu garantieren. Außerdem widerspräche die Einstufung der drei Maghreb-Staaten den Kriterien, die das Bundesverfassungsgericht für einen ’sicheren‘ Herkunftsstaat vorgegeben hat und nach denen es landesweit keine Verfolgung bestimmter Personengruppen geben darf sowie Schutz vor erniedrigender Bestrafung wie Folter gewährleistet sein muss. Amnesty dokumentiert in Algerien, Marokko und Tunesien nach wie vor Verfolgung, Folter und Misshandlung. Keines der drei Länder erfüllt die Kriterien für einen ’sicheren‘ Herkunftsstaat“, sagt Wiebke Judith, Asylreferentin von Amnesty International.
Hintergrund:
Seit November 2015 gilt in Tunesien der Ausnahmezustand, auf dessen Grundlage das Recht auf Freizügigkeit willkürlich eingeschränkt wird. Erst im Februar hat Amnesty den Bericht „We want an end to the fear“ veröffentlicht, der Kollektivbestrafungen, willkürliche Verhaftungen und Folter durch die tunesischen Sicherheitskräfte dokumentiert. Immer wieder werden in Tunesien Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität verfolgt. So müssen Homosexuelle mit Gewalt, Ausbeutung sowie sexuellen und anderen Misshandlungen durch die
Polizei rechnen.
In Marokko und Algerien stellt Amnesty International immer wieder repressive Maßnahmen durch staatliche Behörden fest. So ist das Recht auf freie Meinungsäußerung eingeschränkt. Die Behörden in beiden Ländern gingen im Jahr 2016 strafrechtlich gegen Journalisten und Regierungskritiker vor, die von ihrem Recht auf friedliche Meinungsäußerung Gebrauch machten.
In Marokko wurden 2016 Männer aufgrund gleichgeschlechtlicher sexueller Beziehungen ebenfalls zu Gefängnisstrafen verurteilt. In Algerien wurden Angehörige der muslimischen Religionsgemeinschaft der Ahmadi 2016 wegen ihres Glaubens strafrechtlich verfolgt.