Kategorie: Allgemein

NRW: Neuer Entwurf zum Polizeigesetz – gute Ansätze, noch mehr Versäumnisse

Amnesty International kritisiert, dass auch der Änderungsentwurf an mehreren Stellen verfassungsrechtlich unzulässig ist 

BERLIN, 10.10.2018 – Amnesty International begrüßt, dass die NRW-Landesregierung mit dem neuen Änderungsentwurf zum Polizeigesetz einige der geplanten, menschenrechtlich hochproblematischen Maßnahmen gestrichen hat. Es bleiben viele Kritikpunkte weiterhin bestehen. Dazu sagt Maria Scharlau, Expertin für Polizei und Menschenrechte bei Amnesty International in Deutschland: 

„Der neue Entwurf zum Polizeigesetz ist – trotz aller Änderungen – an mehreren Stellen verfassungsrechtlich unzulässig. Nach wie vor ermöglicht das Gesetz einschneidende Maßnahmen wie zum Beispiel Fußfesseln oder Telefonüberwachung auf der Grundlage vager Anhaltspunkte für eine nur mögliche, zukünftige Gefahr. Darin liegt ein Verstoß gegen die Rechtssicherheit: Alle Menschen müssen wissen, durch welches Verhalten sie ins Visier der Polizei geraten können – das ist auch durch den neuen Gesetzentwurf nicht gewährleistet.“ 

„Es ist auch bedauerlich, dass die NRW-Landesregierung an der unverhältnismäßigen Regelung festhält, dass ein Mensch ganz ohne Strafverdacht oder akute Gefahr bis zu sieben Tage allein zur Feststellung seiner Identität festgehalten werden kann.“ 

„Die NRW-Landesregierung hat die Möglichkeit des Polizeigewahrsams für Personen gestrichen, die noch gar nicht konkret gefährlich sind. Es ist auch ein gutes Zeichen, dass sich die Landesregierung vom unbestimmten Begriff der ‚drohenden Gefahr‘ verabschiedet hat; dieser Begriff hätte dazu gedient, unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe beim Einsatz gegen allgemeine Alltagskriminalität zu rechtfertigen.“ 

„Diesen neuen Gesetzentwurf als bürgerrechtskonformen Kompromiss zu präsentieren, führt in die Irre: Die Regierungsfraktionen haben nur die extrem umstrittenen Maßnahmen gestrichen, die nach unserer Einschätzung zu einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde geführt hätten. Auf dem Weg zu einem menschenrechtskonformen Gesetz ist die NRW-Landesregierung auf halber Strecke stehen geblieben.“ 

Vielen Dank für die großartige Unterstützung unseres 8. Wollsammeltages!

Länderschwerpunkt war die Türkei und besonders haben wir für die Unterstützung einer Eilaktion zu Gunsten der Mahnwachen der Samstagsmütter und für die zu Unrecht verurteile Lehrerein Ayse Celik
aus Diyarbakir geworben.

Großes Interesse zeigten die Besucher und Besucherinnen an den zwei Projekten in der Türkei, die wir im nächsten halben Jahr unterstützen werden. Bei einem Projekt wird nun auch ein Partner-Strickcafé gegründet werden. Dorthin geben wir gerne von den vielen Wollspenden ab. Wir freuen uns darauf, so auch weiter in Kontakt bleiben zu können.

Es kamen viele Säcke Wolle zusammen und es war vielen Spenderinnen und Spendern wichtig, sich zu solidarisieren und die Briefaktionen zu unterstützen.

„Gut, dass Sie die Situation in der Türkei in den Blick nehmen!“, war der einhellige Tenor!

Der nächste Wollsammeltag findet am 14. März 2019, wieder von 10 bis 17 Uhr, in der Citykirche statt.

Amnesty: AZ und AN 8. Wollsammeltag

Hintergründe: Exclusiv im Ersten: Grenzen dicht! (Monitor-Reportage vom 6.8.)

MONITOR-REPORTAGE: Exclusiv im Ersten: Grenzen dicht!
06.08.2018 | 29 Min. | UT | Verfügbar bis 06.08.2019 | Quelle: Das Erste
Exclusiv im Ersten: Grenzen dicht!
Europas Regierungen atmen auf: Die Zahl der Flüchtlinge aus afrikanischen Staaten sinkt. Aber zu welchem Preis? Shafagh Laghai geht auf Spurensuche – entlang des neuen Grenzwalls, den Europa quer durch Afrika aufgebaut hat.
http://mediathek.daserste.de/Reportage-Dokumentation/Exclusiv-im-Ersten-Grenzen-dicht/Video?bcastId=799280&documentId=54868894

06.08.2018 | 29 Min. | UT | Verfügbar bis 06.08.2019 | Quelle: Das Erste

Schöner Abschluss vor unserer Sommerpause: Kaffeekonzert zur Eröffnung der Ausstellung MENSCHEN AUF DER FLUCHT

Gelungene Aktion vor unserer Sommerpause

Am 8. Juli haben wir in Kooperation mit der Citykirche und den Katholikenräten Aachen Stadt und Land zum Kaffeekonzert eingeladen, um gemeinsam die Ausstellung MENSCHEN AUF DER FLUCHT zu eröffnen.

Ein Büffet mit selbstgebackenen Kuchen (etliche Spenden vom Strickcafé und der Kochgruppe) und Kaffee, Tee und Wasser lud zum Verweilen an den einladend gedeckten Tischen. Für den harmonischen musikalischen Rahmen sorgte die Flötengruppe „flauto amabile“.

Es gab viele gute Gespräche und die Gelegenheit zum Erzählen wurde gerne genutzt.

Kurze einführende Worte kamen von der Grünen Bürgermeisterin Hilde Scheidt. Sie wies darauf hin, dass wir in Deutschland ein Grundrecht auf Asyl haben und – anlässlich der zeitgleichen Fahrradkundgebung gegen Tihange – wir vielleicht selbst auf die Flucht gehen müssten – sollte es dort einen Unfall geben.

Die Ausstellung ist bis zum 13. August während der Öffnungszeiten in der Citykirche zu sehen.

Wir wünschen einen schönen Sommer und freuen uns, wenn wir viele von Ihnen bei unseren Aktivitäten begüßen können!

 

AZ Ausstellung Citykirche

Ein Artikel in der Aachener Zeitung informiert über die Hintergründe der Ausstellung MENSCHEN AUF DER FLUCHT, die bis zum 13. August in der Citykirche in Aachen, An der Nikolauskirche, zu sehen ist.

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28.000 Terminwünsche, Familiennachzug zu Flüchtlingen deutlich weniger als „Hunderttausende“

MiGAZIN Von Redaktion – 18. Juli 2018

„Hunderttausende“ hatte die CSU prognostiziert, als es darum ging, den
Familiennachzug für subsidiär schutzberechtigte Flüchtlinge auszusetzen.
Viel zu hoch, wie jetzt Zahlen des Auswärtigen Amtes zeigen. Lediglich
28.000 Terminanfragen wurden bisher gestellt. Die Linke wirft der Union
„brandgefährliche Hetze“ vor.
Von Redaktion – 18. Juli 2018
Der große Andrang in deutschen Botschaften in Ländern rund um Syrien
beim Familiennachzug ist ausgeblieben. Den Vertretungen in der Türkei,
in Jordanien, im Libanon und im Nordirak liegen bisher 28.000
Terminwünsche von Angehörigen in Deutschland lebender Flüchtlinge vor,
wie am Dienstag aus dem Auswärtigen Amt in Berlin verlautete.

Für die nur subsidiär geschützten Flüchtlinge war der Familiennachzug im
März 2016 zunächst für zwei Jahre ausgesetzt worden. Ab dem 1. August
sollen nach einer Vereinbarung der großen Koalition pro Monat bis zu
1.000 Familienangehörige von Flüchtlingen mit eingeschränktem
Schutzstatus nach Deutschland kommen können.
Weniger Familiennachzug bei regulär Schutzberechtigten
Den subsidiären beziehungsweise eingeschränkten Schutzstatus erhalten
Flüchtlinge, die weder nach dem deutschen Asylgesetz noch nach der
Genfer Flüchtlingskonvention einen Schutzstatus bekommen, aber dennoch
nachweisen können, dass ihnen in ihrer Heimat Tod, Folter oder eine
andere unmenschliche Behandlung droht.
Der Familiennachzug für Flüchtlinge mit regulärem Schutzstatus ist
deutlich gesunken. Im ersten Halbjahr 2018 wurden dem Bericht zufolge
für Angehörige von Flüchtlingen aus den Hauptherkunftsländern Syrien,
Irak, Afghanistan, Iran, Eritrea und Jemen nach Angaben des Auswärtigen
Amts 18.451 Visa erteilt. Das sind deutlich weniger als im
Vergleichszeitraum des Vorjahres. Im ersten Halbjahr 2017 erhielten aus
diesen Ländern 31.247 Menschen im Rahmen des Familiennachzugs ein Visum.
Im gesamten Jahr 2017 waren es 54.307 Visa für die Hauptherkunftsländer.
Jelpke: Zahlen strafen Union-Hetze Lügen
Für Innenpolitikerin Ulla Jelpke (Die Linke) zeigen die Zahlen, „wie
maßlos überzogen die Szenarien der Union waren“. Es werdedeutlich, wie
den betroffenen Familien Unrecht getan wird. „Denn der Nachzug dieser
Menschen wäre mitnichten, wie es oftmals behauptet wurde, eine
Überlastung für Deutschland. Ihren Nachzug zu verhindern ist abereine
schier unerträgliche Belastung der Betroffenen. Denn sie warten jetzt
schon über zwei Jahre auf die Antragstellung“, erklärte Jelpke.
Mit Begrenzung auf 1.000 Menschen pro Monat müssten viele Familien noch
länger von ihren Angehörigen getrennt bleiben. Unbegleitete Jugendliche
könnten so nicht ankommen und sich kein Leben aufbauen. „Die Begrenzung
des Familiennachzugs ist nichts weiter als eine bösartige
Zermürbungstaktik, die Schutzsuchende letztlich auf tödliche
Fluchtrouten treibt, um zu ihren Familien zu gelangen“, so Jelpke
abschließend. (epd/mig)

NSU-Urteil darf kein Schlussstrich sein – Rolle von institutionellem Rassismus muss untersucht werden

NSU-Urteil darf kein Schlussstrich sein – Rolle von institutionellem Rassismus muss untersucht werden

BERLIN, 11.07.2018 – Amnesty International begrüßt, dass mit dem Schuldspruch des Oberlandesgerichts München gegen Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte für zehn Morde, Beihilfe und weitere Verbrechen ein wichtiger Teil der juristischen Aufarbeitung abgeschlossen ist. „Sieben Jahre nach dem Ende der rassistisch motivierten Mordserie des sogenannten NSU sendet das Urteil gegen Beate Zschäpe und ihre Mitangeklagten ein klares Signal“, sagt Maria Scharlau, Anti-Rassismus-Expertin bei Amnesty International in Deutschland. „Gleichzeitig bleibt nach mehr als 400 Verhandlungstagen weiter unklar, wie es zu dem erschreckenden Versagen der Behörden bei den Ermittlungen kommen konnte und inwieweit institutioneller Rassismus hierfür verantwortlich war.“ 

„Die Ermittlungsbehörden haben elf Jahre lang die rassistischen Tatmotive verkannt und durch eine teilweise offen rassistische Vorgehensweise eine rasche und umfassende Aufklärung des NSU-Komplexes verhindert. Die NSU-Täter konnten ein Jahrzehnt lang im Untergrund leben und ihre Morde vorbereiten, während teilweise bis zu 40 V-Leute des Verfassungsschutzes im Umfeld des NSU eingesetzt waren“, sagt Scharlau. Die Polizei konzentrierte sich dagegen auf eine Theorie, für die es weder Hinweise noch Beweise gab: dass die Morde von organisierten Banden begangen worden seien, die in der türkischen und griechischen Community illegalen Aktivitäten nachgehen würden. Die Polizei verhörte Hunderte türkeistämmige Personen; Familienangehörige der Ermordeten wurden häufig als Verdächtige behandelt und nicht ausreichend über den Stand der Ermittlungen informiert. „Die angewandten Ermittlungsmethoden sind Anzeichen für ein strukturelles Versagen der Behörden und für institutionellen Rassismus.“ 

„Amnesty International fordert eine lange überfällige Untersuchung, inwieweit institutioneller Rassismus in den Behörden eine bessere Aufklärung des NSU-Komplexes verhindert hat. Bundeskanzlerin Merkel hat den Familien der Ermordeten im Februar 2012 vollständige Aufklärung versprochen – dazu gehört auch eine umfassende und unabhängige Untersuchung des Behördenversagens“, so Scharlau. NSU-Untersuchungsausschüsse auf Bundes- und Landesebene haben wichtige und zukunftsweisende Handlungsempfehlungen zur besseren Bekämpfung von rassistischen Gewalttaten gegeben: Daraufhin wurden zum Beispiel die Richtlinien der Ermittlungsbehörden so ergänzt, dass Hinweise von Opfern und Zeugen auf rassistische Tatmotive dokumentiert werden müssen. „Amnesty fordert die Innen- und Justizbehörden auf, sicherzustellen, dass diese Verbesserungen auch in die Praxis umgesetzt werden. Alle Angehörigen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz müssen entsprechend geschult und für Rassismus sensibilisiert werden.“

Der 80-seitige Amnesty-Bericht „Leben in Unsicherheit: Wie Deutschland die Opfer rassistischer Gewalt im Stich lässt“ (2016) dokumentiert unter anderem, dass eine schnelle Aufklärung der Verbrechen des sogenannten NSU nicht zuletzt wegen rassistischer Vorurteile der Strafverfolgungsbehörden gegenüber den Angehörigen der Opfer über Jahre hinweg immer wieder scheiterte. Den vollständigen Bericht sowie eine Zusammenfassung finden Sie auf bit.ly/AmnestyDeutschland

Flughafenverfahren: Sozialpädagogin: „Kaum Zeit für Beratung“

MiGAZIN
Sozialpädagogin: „Kaum Zeit für Beratung“
Im Transitbereich des Flughafens München werden Menschen, die bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben, festgehalten – in einer mit Stacheldraht umzäunten Unterkunft. Ein sogenanntes Flughafenverfahren wird dort schon lange praktiziert. Die Sozialpädagogin Jessica Gürtler kümmert sich seit November 2017 um die Menschen. Im Gespräch erklärt sie, wie das Verfahren abläuft. Von Susanne Schröder

Von Redaktion – 9. Juli 2018

Frau Gürtler, wie viele Menschen kommen derzeit ins Flughafenverfahren am Flughafen München?

Jessica Gürtler: Seit Anfang des Jahres ist der Zulauf recht stark. Wir hatten schon Menschen aus Kuba, Togo, Ägypten, China, Sri Lanka, Guinea, dem Kongo, der Türkei und anderen Ländern in der Unterkunft. Sie bekommen innerhalb von zwei Tagen eine Anhörung durch Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und können sich auch einen Rechtsbeistand nehmen. Einige dürfen nach Abschluss des Verfahrens nach Deutschland einreisen und werden weiter ins Münchner Ankunftszentrum vermittelt. Die anderen kommen in die Abschiebehaftanstalt Erding – oder sie warten in dieser Unterkunft, zum Teil mehrere Wochen, bis sie wieder ausreisen.
Was ist die Aufgabe der Flughafenseelsorge im Flughafenverfahren?
Jessica Gürtler: Wir signalisieren den Menschen, dass wir weder Polizei noch vom BAMF sind. Uns müssen sie nichts erklären. Wenn wir kommen, sind wir einfach für sie da. Unser Angebot orientiert sich an den individuellen Bedürfnissen. Manchmal ist es ein Gespräch, ein gemeinsames Memory-Spiel oder eine Zigarette, aber auch die Krisenintervention nach dem Ablehnungsbescheid oder der Anruf bei einer nahestehenden Person im Heimatland, den wir möglich machen.
Die meisten Menschen haben nur einen kleinen Koffer mit dem Allernötigsten bei sich. Dann organisieren wir Wechselkleidung, Hygieneartikel oder medizinische Versorgung, wenn beispielsweise Diabetiker Insulin benötigen. Die psychische Stabilisierung ist vor allem bei alleinreisenden Frauen eine wichtige Aufgabe. Nur weil sie über den Luftweg nach Deutschland gekommen sind, heißt das nicht, dass sie weniger traumatische Erfahrungen gemacht haben.
Wie funktioniert die Anhörung im Flughafenverfahren?
Jessica Gürtler: Wir erklären den Menschen ihre Rechte und Pflichten bei der BAMF-Anhörung und sagen ihnen, worum es dabei geht. Möchten sie gegen einen Ablehnungsbescheid klagen, sind wir das Bindeglied zwischen Asylsuchendem und Rechtsanwalt und vermitteln Dolmetscher. Sind die genannten Fluchtgründe nicht ausreichend, sprechen wir mit den Menschen über Optionen in ihrem Heimatland.
Werden sie in die Abschiebehaft überführt, erfolgt eine Fallübergabe mit der Kollegin in Erding. Der Austausch mit der Bundespolizei, den Anwälten und der Haftanstalt ist insgesamt sehr gut. Nur die knappen Fristen im Flughafenverfahren sind eine Herausforderung. Wenn jemand am Freitag ankommt und am Montagvormittag schon seine Anhörung hat, bleibt uns kaum Zeit für die Beratung. Das ist für die Betroffenen von Nachteil: Viele nennen aus Scham, Angst oder Unwissenheit ihre wahren Fluchtgründe nicht und werden dann abgelehnt. (epd/mig)