Monat: Januar 2020

UN-Menschenrechtsausschuss stärkt Rechte von Klimaflüchtlingen

Amnesty International spricht von einem wegweisenden Urteil: In einem
aufsehenerregenden Asylverfahren hat ein UN-Menschenrechtsgremium jetzt
entschieden, dass Regierungen bei der Entscheidung über eine Abschiebung
zukünftig auch von der Klimakrise verursachte Menschenrechtsverletzungen
berücksichtigen müssen.
Vorausgegangen war die Beschwerde eines Mannes aus dem pazifischen
Inselstaat Kiribati, der vom steigenden Meeresspiegel bedroht ist. Ioane
Teitiota reichte im Februar 2016 vor dem UN-Menschenrechtsausschuss
Klage gegen die neuseeländische Regierung ein, nachdem er 2010 in
Neuseeland einen Asylantrag als „Klimaflüchtling“ gestellt hatte, der
jedoch von den dortigen Behörden abgelehnt wurde. Ioane Teitiota wurde
im September 2015 aus Neuseeland in sein Herkunftsland Kiribati
abgeschoben. Anfang Januar 2020 traf der UN-Menschenrechtsausschuss eine
Entscheidung in dem Fall.
„Dieses Urteil schafft einen weltweiten Präzedenzfall“, sagte Kate
Schuetze, Expertin für die Pazifik-Region bei Amnesty International. „Es
besagt, dass ein Staat gegen seine menschenrechtlichen Verpflichtungen
verstößt, wenn er jemanden in ein Land abschiebt, wo das Leben der
betroffenen Person – aufgrund der Klimakrise – in Gefahr ist oder ihr
eine grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
drohen.“
Ioane Teitiota argumentierte, dass er in seinem Herkunftsland aufgrund
der Klimakrise mit Landkonflikten zu kämpfen und nur eingeschränkten
Zugang zu Trinkwasser habe. Durch den steigenden Meeresspiegel gehe die
Fläche für Ackerbau zurück und das Trinkwasser sei durch Salzwasser
kontaminiert. Deswegen hätte er mit seiner Familie nach Neuseeland
fliehen müssen, wo er nach Ablauf seines Visums 2010 einen Asylantrag
stellte.
Dieser wurde vom neuseeländischen Immigrations- und Schutzgericht
(Immigration and Protection Tribunal), dem Berufungsgericht und dem
Obersten Gerichtshof abgelehnt. Daraufhin brachte Ioane Teitiota seinen
Fall vor den UN-Menschenrechtsausschuss. Er gab an, dass Neuseeland mit
seiner Abschiebung nach Kiribati sein Recht auf Leben nach dem
Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte verletzt habe.
Zwar befand der Menschenrechtsausschuss jetzt, dass Ioane Teitiotas
Abschiebung rechtens war, da sein Leben in Kiribati nicht unmittelbar
bedroht sei. Doch er erkannte an, dass die Klimakrise das Recht auf
Leben ernsthaft bedroht. Entscheidungsträger_innen müssten dies bei der
Prüfung von Asylanträgen zukünftig berücksichtigen.
Das Urteil hat Signalwirkung und könnte in der Zukunft den Weg für
weitere Ansprüche von Menschen ebnen, wenn „die Auswirkungen des
Klimawandels die Rechte von Personen in den Aufnahmestaaten verletzen
könnten“.
„Die Botschaft ist klar: Die Pazifischen Inseln müssen nicht erst
untergegangen sein, bevor die menschenrechtlichen Verpflichtungen zum
Schutz des Lebens greifen“, sagte Schuetze.
Alle Staaten haben die menschenrechtliche Verpflichtung, die Bevölkerung
vor den schädlichen Auswirkungen der Klimakrise zu schützen. Der UN-
Menschenrechtsausschuss überwacht die Einhaltung des Internationalen
Pakts über bürgerliche und politische Rechte durch die 173 Länder, die
ihn unterzeichnet haben. Von den Vertragsstaaten erkennen 116 das Recht
Einzelner an, gegen eventuelle Verstöße Beschwerde einzulegen, darunter
Neuseeland und Deutschland. Sie sind verpflichtet, sich an die Vorgaben
des Ausschusses zu halten.

Ungarische Regierung verletzt mit NGO-Gesetz Menschenrechte Amnesty-Statement zum Gutachten des EuGH

BERLIN, 14.01.2020 – Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof ist der Ansicht, dass das ungarische Gesetz zur Einschränkung der Arbeit von Nichtregierungsorganisationen gegen EU-Recht verstößt und Grundrechte unrechtmäßig einschränkt. Das geht aus den heute vorgelegten Schlussanträgen des Generalanwalts  hervor. Dazu erklärt Janine Uhlmannsiek, Expertin für Europa und Zentralasien bei Amnesty International in Deutschland:

„Das Gesetz verfolgt allein das Ziel, die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen in Ungarn zu behindern und zu diskreditieren. Kritische Stimmen sollen eingeschüchtert werden. Die ungarische Regierung verletzt mit dem Gesetz die Grundwerte der Europäischen Union und ignoriert grundlegende Freiheits- und Vereinigungsrechte. Seit Jahren schafft die Regierung in Budapest ein zunehmend feindseliges Klima für Menschenrechtsarbeit. Die EU-Mitgliedstaaten, darunter auch die deutsche Bundesregierung, müssen jetzt an der Seite der Zivilgesellschaft in Ungarn stehen und die ungarische Regierung zur Einhaltung ihrer menschenrechtlichen Verpflichtungen auffordern. Dieses repressive Gesetz muss zurückgenommen oder entsprechend menschenrechtlicher Standards abgeändert werden.“

Hintergrund:
Die ungarische Regierung versucht, kritische Stimmen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) im Land massiv einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. NGOs, darunter auch die ungarische Amnesty-Sektion, sind immer wieder Schikanen und Diffamierungen durch Regierungsvertreter und regierungsnahe Medien ausgesetzt. Zudem wurden mehrere NGO-Gesetze verabschiedet, die zivilgesellschaftliches Engagement behindern und kriminalisieren.

Im Juni 2017 trat ein NGO-Gesetz nach russischem Vorbild in Kraft, das Organisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten, verstärkt unter Kontrolle stellt und stigmatisiert. NGOs, die jährlich mehr als 24.000 Euro aus dem Ausland erhalten, müssen sich als „auslandsfinanzierte zivilgesellschaftliche Organisation“ registrieren lassen und diese Bezeichnung in sämtlichen Veröffentlichungen angeben. Diese Bezeichnung dient nur dem Zweck, das Ansehen der betroffenen NGO zu beschädigen, indem der Eindruck erweckt wird, sie werde aus dem Ausland gesteuert. Organisationen, die gegen diese Auflagen verstoßen, drohen hohe Strafzahlungen sowie letztendlich ein Arbeitsverbot. Das Gesetz verletzt grundlegende Freiheits- und Vereinigungsrechte der Menschen in Ungarn. Die ungarische Amnesty-Sektion widersetzt sich dem Gesetz und hat gemeinsam mit anderen NGOs dagegen geklagt. Die EU-Kommission hat wegen des Gesetzes den Europäischen Gerichtshof angerufen und Klage gegen Ungarn eingereicht. Heute hat der Generalanwalt in diesem Verfahren seine Schlussanträge vorgelegt. Darin stellt er dar, dass das NGO-Gesetz gegen EU-Recht verstößt und Grundwerte, darunter das Recht auf Versammlungsfreiheit, unrechtmäßig einschränkt.

„Armutszeugnis“, Kontingent für Familiennachzug für 2019 nicht ausgeschöpft

 MIGAZIN vom 14. Januar 2020

„Armutszeugnis“
Kontingent für Familiennachzug für 2019 nicht ausgeschöpft
Nach einem schleppenden Start wird das 2018 eingerichtete Kontingent für den Familiennachzug inzwischen regelmäßig genutzt. Ganz ausgeschöpft wurden die Plätze aber auch 2019 nicht.

Im Kontingent für den Familiennachzug zu Flüchtlingen mit untergeordnetem Schutz in Deutschland sind auch im vergangenen Jahr nicht alle Plätze vergeben worden. 2019 wurden rund 10.500 positive Auswahlentscheidungen vom Bundesverwaltungsamt getroffen und 11.100 Visa erteilt, wie es aus dem Auswärtigen Amt hieß. Das Kontingent bietet monatlich 1.000 Plätze, also insgesamt 12.000 pro Jahr. Das ist damit knapp unterschritten worden.
Wie aus der Statistik des Außenministeriums hervorgeht, blieben vor allem in der zweiten Jahreshälfte 2019 Zusagen und Visa-Ausstellungen unter der möglichen Zahl von 1.000. Während in den ersten Monaten Zusagen und Visa-Erteilungen noch jeweils bei 1.000 beziehungsweise knapp darunter oder darüber lagen, sank die Zahl zum Jahresende teilweise unter 800 pro Monat. Im Dezember bescheinigte das Bundesverwaltungsamt demzufolge nur 581 Anträge positiv.
Für 23.000 potenzielle Antragsteller lagen den Angaben zufolge im Dezember noch sogenannte Terminanfragen bei den Auslandsvertretungen weltweit vor. Betroffen von der Regelung sind vor allem syrische Flüchtlinge, die oft nicht als politisch Verfolgte anerkannt werden, sondern wegen des Bürgerkriegs in ihrer Heimat den sogenannten subsidiären Schutz erhalten.
Kompliziertes Verfahren
Sie haben seit 2016 keinen Anspruch mehr auf das Nachholen ihrer engsten Angehörigen. Im August 2018 wurde für sie das Kontingent eingerichtet. Hinter der Bewilligung steht ein kompliziertes Verfahren: Angehörige müssen bei den deutschen Vertretungen in ihrem Aufenthaltsland den Nachzug beantragen. Danach beginnt die Prüfung bei den Stellen des Auswärtigen Amts und den Ausländerbehörden. Die Auswahl trifft letztlich das Bundesverwaltungsamt, bevor die Auslandsvertretungen wiederum die Visa ausstellen können.
Insgesamt sind seit Inkrafttreten des Kontingents im August 2018 nach Angaben des Auswärtigen Amts 13.745 Visa ausgestellt worden. Insbesondere am Anfang wurde das Kontingent weit unterschritten. In den ersten fünf Monaten Ende 2018 wurden rund 2.000 Nachzüge bewilligt und knapp 1.600 Visa ausgestellt. In der gesetzlichen Regelung für das Kontingent ist nicht vorgesehen, dass die Plätze auf das Folgejahr übertragen werden.
Jelpke: Armutszeugnis
Die Linken-Politikerin Ulla Jelpke nannte es ein „Armutszeugnis“, dass die Plätze nicht ausgeschöpft werden. „Für die Betroffenen ist die andauernde Familientrennung kaum erträglich“, sagte sie.
Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von Jelpke gab es 2019 rund 26.000 Familiennachzüge aus den sieben Hauptherkunftsländern von Flüchtlingen nach Deutschland. Der Nachzug zu subsidiär Geschützten ist darin enthalten.
Linke: Einwanderungskorridor weit unterschritten
Familiennachzüge werden für die Berechnung des Einwanderungskorridors herangezogen, der laut Koalitionsvertrag von Union und SPD die Spanne von 180.000 bis 220.000 nicht überschreiten soll. Laut der am Mittwoch vom Bundesinnenministerium veröffentlichten Statistik gab es 2019 rund 142.500 Asylerstanträge, 31.500 stammten dabei von Kindern, die bereits in Deutschland geboren wurden.
Nach Schätzung der Linken wird der Einwanderungskorridor für 2019 weit unterschritten, weil Abschiebungen und Ausreisen wiederum von der Zahl abgezogen werden. Die so errechnete Gesamtzahl von Asyl-Einwanderern lag bis Ende November bei rund 97.000 Menschen, einschließlich in Deutschland geborenen Kindern bei rund 127.000, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage von Jelpke. Die Linke schätzt, dass sich die Zahl bis Jahresende nicht wesentlich erhöht hat. (epd/mig)

Empfehlungen von UNHCR an die Europäische Union, um 2020 zum Jahr des Wandels im Flüchtlingsschutz zu machen

UNHCR, der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, hat einige ambitionierte, aber realistische Empfehlungen für die kroatische und deutsche Ratspräsidentschaft der Europäischen Union vorgestellt. Die Präsidentschaften und der geplante EU-Pakt zu Migration und Asyl böten einzigartige Möglichkeiten, gewaltsam vertriebene und staatenlose Menschen innerhalb und außerhalb Europas besser zu schützen und die Aufnahmeländer zu unterstützen, hieß es von UNHCR am Donnerstag.

„Wir treten in ein neues Jahrzehnt ein und nach dem Erfolg des Globalen Flüchtlingsforums hat die EU unter der jetzigen kroatischen und dann der deutschen Präsidentschaft die Chance, 2020 zum Jahr des Wandels hin zu einem robusten Flüchtlingsschutz zu machen“, sagte Gonzalo Vargas Llosa, der regionale Repräsentant von UNHCR bei der EU. In den Empfehlungen von UNHCR wird ein wirklich gemeinsames und praktikables Asylsystem innerhalb der EU vorgeschlagen, umgesetzt durch nachhaltige Reformen und eine neu belebte finanzielle Unterstützung für Länder, die Vertriebene außerhalb der EU aufnehmen.

Innerhalb der EU müssen effiziente und gerechte Asylsysteme umgesetzt werden, um schnell zu klären, wer internationalen Schutz braucht und wer nicht. Menschen mit Anspruch auf Schutz müssen schnell den Status als Flüchtling und Hilfe zur Integration bekommen. Denjenigen, die keinen Anspruch auf Schutz haben, sollte Unterstützung bei einer freiwilligen Rückkehr angeboten werden.

Für ein wirklich gemeinsames und wirksames Asylsystem müsse die Verantwortung von Ländern, die überproportional viele Asylsuchende aufgenommen haben, innerhalb Europas geteilt werden. UNHCR empfiehlt für 2020, die Entwicklung eines wirklichen Solidarmechanismus voranzutreiben – das sollte, unter Beachtung der Einheit der Familie, auch Verlegungen (Relocation) beinhalten.

„Das letzte Jahrzehnt war eines der Vertreibung. Dieses Jahrzehnt kann, muss!, ein Jahrzehnt der Lösungen sein, angefangen gleich jetzt, 2020“, sagte Gonzalo Vargas Llosa. „Indem sie den Ländern außerhalb Europas hilft, die viele Menschen aufgenommen haben, kann die EU zugleich helfen, dass die Flüchtlinge auf eigenen Beinen stehen – und nicht nur überleben.“

Da 85 Prozent der Flüchtlinge im direkten Nachbarland, oft Entwicklungsländern, Schutz gefunden haben, müsse die finanzielle Unterstützung wiederbelebt werden. UNHCR fordert die Vorsitzländer auf, für eine verstärkte Finanzierung zu sorgen, auch für die der Entwicklungszusammenarbeit, um die Aufnahmeländer zu unterstützen und den Vertriebenen beim Wiederaufbau ihres Lebens zu helfen. Der nächste EU-Haushalt (Multiannual Financial Framework 2021-2027) sei die entscheidende Gelegenheit für die EU, globale Solidarität gegenüber den Vertriebenen und ihren Gastgebern zu zeigen.

UNHCR ist nach wie vor bereit, den kroatischen und deutschen Ratsvorsitz, die EU und ihre Mitgliedstaaten bei ihren Bemühungen um mehr Solidarität mit den Flüchtlingen und den Ländern, die sie aufnehmen, zu unterstützen.

ENDE

Sie finden das gesamte Papier anlässlich der kroatischen und deutschen EU-Ratspräsidentschaft unter folgendem Link: https://www.unhcr.org/be/wp-content/uploads/sites/46/2020/01/200107-FINAL-UNHCR-Recommendations-for-the-Croatian-and-German-Presidencies-of-the-Council-of-the-EU-2020.pdf

Migrationsbericht des Innenministeriums: Zuwanderung geht leicht zurück – taz.de

taz vom 9. Juni 2020

Migrationsbericht des Innenministeriums
Zuwanderung geht leicht zurück
Laut aktuellem Migrationsbericht kamen 2018 etwa 1,6 Millionen Menschen nach Deutschland. Den Fachkräftemangel können Sie nicht ausgleichen.

Hier kann der Artikel gelesen werden: https://taz.de/Migrationsbericht-des-Innenministeriums/!5654636/