MEINUNGSFREIHEIT IN DER TÜRKEI?
Am Freitag, dem 7. Juli, folgten rund 40 Teilnehmende, bei brütender Hitze, der Einladung zur Kooperationsveranstaltung von Amnesty International, dem Eine-Welt-Forum, dem Verband der Studierenden aus Kurdistan e.V. und dem Studierendenparlament der FH Aachen.
Mit Bestürzung hatten wir erfahren, dass einen Monat nach der Inhaftierung des Vorstandsvorsitzenden der türkischen Sektion von Amnesty International Türkei, Taner Kılıç, am 5.Juli 2017 erneut Mitglieder türkischer Menschenrechtsorganisationen festgenommen wurden, darunter İdil Eser, die Direktorin von Amnesty International Türkei. Das hat es in der über 50jährigen Geschichte von Amnesty International noch nicht gegeben.
Nicht erst seit der Verhaftung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel ist die Menschenrechtssituation in der Türkei in aller Munde. Nirgendwo sind so viele Journalistinnen und Journalisten in Haft wie in der Türkei, derzeit sind es mehr als 120. Damit sitzt ein Drittel aller inhaftierten Medienschaffenden weltweit in der Türkei in Haft, die meisten warten noch auf ihr Verfahren.
Einige müssen schon seit Monaten in türkischen Gefängnissen ausharren. Nach dem gescheiterten Putschversuch hat die Regierung im Juli 2016 den Ausnahmezustand ausgerufen – er gilt bis heute. Die Erosion der Medienfreiheit ist nicht neu. Als im Jahr 2013 die Gezi-Park-Proteste ausbrachen, strahlte ein großer Nachrichtensender einen Tierfilm über Pinguine aus, anstatt über die Proteste zu berichten. Journalistinnen und Journalisten verloren ihren Job, weil sie das Missfallen der Behörden erregt hatten. Kritische Medien wurden von durch gerichtlich eingesetzte Treuhänder übernommen und auf Linie gebracht.
Medienschaffende sind zur Zielscheibe einer beispiellosen Kampagne gegen die Meinungsfreiheit geworden. Ungefähr 160 Medien wurden geschlossen, Tausende Journalistinnen und Journalisten haben ihre Arbeit verloren. Der unabhängige Journalismus steht in der Türkei am Abgrund. Die Angst, im Gefängnis zu landen, ist deutlich spürbar: In den Medien werden nur noch selten Widerspruch oder stark abweichende Meinungen geäußert.
Dazu unsere Forderungen:
Journalistinnen und Journalisten müssen aus der Untersuchungshaft entlassen werden
Niemand darf allein aufgrund seiner legitimen journalistischen Arbeit vor Gericht gestellt werden: Strafverfahren dürfen nur auf Basis überzeugender Belege für auch international anerkannte Straftaten eingeleitet werden
Die türkischen Behörden dürfen den Ausnahmezustand nicht als Vorwand nutzen, um friedliche Regierungskritikerinnen und –kritiker mundtot zu machen
Die internationale Gemeinschaft und auch Deutschland müssen die türkische Regierung unmissverständlich dazu auffordern, den Angriff auf die Meinungsfreiheit und andere Menschenrechte sofort zu beenden
Es referierten:
Dersim Dağdeviren, vom Netzwerk kurdischer Akademiker berichtete engagiert über die Situation der Kurden und anderer Minderheiten und machte auch weitergehende Zusammenhänge deutlich.
Andrej Hunko, Mitglied des deutschen Bundestages und Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates– war als Wahlbeobachter in der Türkei und konnte darüber Spannendes berichten.
Ingeborg Heck-Böckler, Amnesty International
Für den Herbst nplanen wir eine weitere Informationsveranstaltung zur Menschenrechtssituation in der Türkei.