Kategorie: Presse

Bundesweiter Flüchtlingstag: Amnesty International und PRO ASYL kritisieren verantwortungslose EU-Flüchtlingspolitik

Beide Organisationen warnen die Europäische Union vor einer Zusammenarbeit in der Flüchtlingspolitik mit Staaten wie Ägypten oder dem Sudan, die Menschenrechtsverletzungen begehen. Außerdem kritisieren Amnesty und PRO ASYL die EU-Kommission für ihre geplanten Verschärfungen des Dublin-Verfahrens.

BERLIN, 29.09.2016 – Amnesty International und PRO ASYL kritisieren die Europäische Union für geplante Projekte mit Staaten wie Ägypten oder dem Sudan in der Flüchtlingspolitik sowie die beabsichtigte Verschärfung des Dublin-Systems. Anlässlich des bundesweiten Flüchtlingstages am 30. September sagt Wiebke Judith, Expertin für Asylpolitik bei Amnesty International in Deutschland: „Die EU-Kommission versucht, ihre Verantwortung für Flüchtlinge immer weiter vor die Grenzen Europas auszulagern. Dabei schreckt sie auch nicht davor zurück, mit Regierungen zu kooperieren, die selbst massive Menschenrechtsverletzungen begehen und damit Menschen zur Flucht zwingen.“ PRO ASYL-Geschäftsführer Günter Burkhardt kritisiert: „Es ist scheinheilig, wenn EU-Politiker Menschenrechte in Europa beschwören und gleichzeitig den Ausverkauf der Menschenrechte in Europa vorantreiben.“ Vereinbarungen mit Staaten wie Ägypten oder dem Sudan sind menschenrechtlich nicht haltbar, durch sie soll zum Beispiel die Flucht aus Eritrea über den Sudan verhindert werden.

Die sudanesische Regierung hat in diesem Jahr mindestens 30 Mal Chemiewaffen wie Senfgas gegen die eigene Bevölkerung in Darfur eingesetzt, wie ein heute veröffentlichter Amnesty-Bericht dokumentiert. „Die gleichen Sicherheitskräfte, die für die Flucht von 3,7 Millionen Sudanesen verantwortlich sind, sollen nun verhindern, dass Flüchtlinge über den Sudan das Mittelmeer erreichen“, sagt Judith. Für eine bessere Grenzsicherung will die EU unter Federführung unter anderem der deutschen Bundesregierung auch Ausstattung und Trainings für sudanesische Sicherheitskräfte bereitstellen.

Ägypten erlebt gerade eine der schwersten Menschenrechtskrisen in der Geschichte des Landes. Staatliche Sicherheitsdienste nehmen unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung seit etwa 18 Monaten willkürlich politische Aktivisten und Demonstranten fest, pro Tag werden nach Angaben lokaler Nichtregierungsorganisationen durchschnittlich drei bis vier Menschen verschleppt. „Die Mehrheit der Flüchtlinge in Ägypten befindet sich in einer ausweglosen Lage. Es gibt kein eigenes Asylsystem, keinerlei staatliche Versorgungsprogramme für Menschen auf der Flucht“, so Judith. Flüchtlinge in Ägypten werden auch Opfer von Menschenrechtsverletzungen. „Allein im vergangenen Jahr haben ägyptische Sicherheitskräfte mindestens 20 Sudanesen und ein achtjähriges syrisches Mädchen an der Grenze erschossen“, sagt Judith.

In ihrem Versuch, die Festung Europa weiter auszubauen, setzt die EU-Kommission auf eine Verschärfung des Dublin-Systems. Amnesty und PRO ASYL kritisieren, dass die Reformvorschläge zur Folge hätten, dass jeder Flüchtling Gefahr liefe, ohne Prüfung der Fluchtgründe in einen Nicht-EU-Staat abgeschoben zu werden, über den er eingereist ist. Damit soll europaweit eingeführt werden, was in Griechenland bereits als Teil des EU-Türkei-Deals praktiziert wird (sogenannte Zulässigkeitsverfahren). „Den menschenverachtenden EU-Türkei-Deal zum Prinzip einer allgemeinen europäischen Flüchtlingspolitik zu machen, ist ein weiterer desaströser Tabubruch“, kommentiert Burkhardt.

In Anbetracht der Menschenrechtssituation in weiteren Herkunftsländern vieler Flüchtlinge, wie zum Beispiel Syrien oder Eritrea, sehen Amnesty und PRO ASYL die jüngsten Änderungen in der Anerkennungspraxis in Deutschland kritisch. Anstatt des vollen Flüchtlingsschutzes bekommen mittlerweile etwa 70 Prozent der syrischen und 30 Prozent der eritreischen Flüchtlinge nur den sogenannten subsidiären Schutz. Ebenso sinken die Anerkennungsquoten für Menschen aus dem Irak und Afghanistan. Seit dem im März in Kraft getretenen Asylpaket II haben Menschen mit subsidiärem Schutz für die nächsten zwei Jahre keinen Anspruch auf Familienzusammenführung. „Es war der erklärte Wille der Bundesregierung, einen Nachzug von Familienangehörigen zu verhindern. Es ist also wohl kaum Zufall, dass die Anerkennungsquoten in Deutschland sinken, obwohl die Menschenrechtssituation in Syrien oder Eritrea unverändert kritisch ist“, sagt Burkhardt.

Staatspreis – Verleihung

Der Staatspreis des Landes NRW 2016 wurde am 21. September dem Ehepaar Neudeck verliehen.

Das 1979 gegründete Komitee Cap Anamur – Deutsche Notärzte und das Friedenskorps Grünhelme sind das Lebenswerk des Ehepaars Christel und Rupert Neudeck. Dafür erhielten beide mit dem NRW-Staatspreis die höchste Auszeichnung (dotiert mit 25 000 Euro) des Landes NRW.

Die Preisverleihung fand am 21 . September 2016 in einem sehr würdigen Rahmen im Ständehaus, dem alten Landtag, in Düsseldorf statt.

Laudator war, mit einer sehr persönlichen Rede, Weggefährte und Freund der Familie, der bosnische Schriftsteller Dževad Karahasan.
Für einen berührenden musikalischen Rahmen sorgte „Violoncello à Deux“, die Musikerinnen Birgit Heinemann und Uta Schlichtig. Auch sie haben viele Projekte des Ehepaares unterstützt.
Der Chefredakteur des „Kölner Stadtanzeigers“ Peter Pauls führe launig durch den langen Abend.

Bei gediegenem Essen und interessanten Gesprächen war es ein sehr schöner Abend.

Die Witwe des Menschenrechtlers Rupert Neudeck, Christel Neudeck, nahm den NRW-Staatspreis 2016 stellvertretend für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Diese Ehrung gilt gleichermaßen ihrem Mann, der im Mai im Alter von 77 Jahren verstarb. Es ist das erste Mal, dass der Staatspreis, die höchste Auszeichnung Nordrhein-Westfalens, posthum verliehen wird.

„Sticken gegen die Kälte“ in Eupen

Am 23.September startete als gemeinsame Aktion von Amnesty International und dem Viertelhaus Cardijn das Strickcafé „Stricken gegen die Kälte“ (nach Aachen) nun auch in Eupen. Frauen aus der Belgien, Deutschland, Guinea, Syrien, der Türkei und Tschetschenien handarbeiteten zusammen und hatten dabei viel Spaß.
Unser nächstes Strickcafé findet am 28. Oktober wieder im Viertelhaus Cardijn, Hillstr. 7, in Eupen statt. Dabei werden wir Informationen über die Situation von Kurden in der Türkei und über eine aktuelle Petition von Amnesty International erhalten.

Herzlich eingeladen sind Flüchtlingsfrauen und alle, die Stricken lernen möchten, sich mit ihrer Häkelarbeit zu uns gesellen wollen oder die Begegnung mit Flüchtlingen suchen.
Die Teilnahme ist kostenfrei. Wolle kann gestellt werden.

Minister berichtet über Strickcafé in Eupen

An die Nadeln, fertig – los!
http://www.antoniadis.be/cms/?p=2681

Unter dem Namen „Strickcafé“ laden Amnesty International und das Viertelhaus Cardijn zum Stricken gegen die Kälte ein. Neben dem Stricken wird bei jedem Treffen jeweils auch über ein Land berichtet, aus dem Menschen zu uns geflüchtet sind.

Ein Zeichen für Weltoffenheit und Toleranz

29.08.2016 / Aachener Nachrichten – Stadtausgabe / Seite 25 / Lokales

Der Tag der Integration feiert zehnten Geburtstag und viele Besucher feiern mit. Die Saalwette mit 130 Geburtstagskindern glückt am Nachmittag.

Den Artikel finden Sie im ePaper unter:
https://epaper.zeitungsverlag-aachen.de/2.0/article/287729a4aa

Die Gesichter und Schicksale hinter den Flüchtlingszahlen

Originalartikel auf aachener-nachrichten.de

Von: Thorsten Vierbuchen

Aachen. „Europa – Was machst du an deinen Grenzen?!“ In der gleichnamigen Ausstellung über die Außengrenzen der Europäischen Union gibt Ingeborg Heck-Böckler den Menschen ein Gesicht, die in den täglichen Nachrichten nur in Zahlen Erwähnung finden.

„Die Ausstellung wurde von Ingeborg Heck-Böckler selbst zusammengestellt, sie hat auch alle Fotos selbst gemacht“, erklärt Merete Menze, Geschäftsführerin des Paritätischen in der Städteregion Aachen. Ingeborg Heck-Böckler von Amnesty International zeige in ihrer Ausstellung „ergreifende Texte und berührende Fotos“. Jeder müsse sich bewusst die Frage stellen, was Europa da macht, denn es gebe leider einen Zusammenhang zwischen dem Reichtum Europas und der Armut in den Ländern, aus denen die Menschen nach Europa fliehen, so Menze weiter.

Auch die Integrationsbeauftragte der Stadt Aachen, Heidemarie Ernst, betont die Wichtigkeit, sich der Verantwortung bewusst zu werden und Grenzen zu überwinden: „Ich danke Frau Heck-Böckler für diese Ausstellung, sie zeigt welche Schicksale hinter den Flüchtlingen stehen.“

Die Nadelfabrik sei der ideale Ort für diese Ausstellung, da sich dort Menschen aus allen Kulturen mit „freundlicher Neugier“ begegneten, sagt die Integrationsbeauftragte. „Die Themen Krieg und Flucht sind globale Probleme, um die wir uns auch global kümmern müssen. Das wird in der Ausstellung deutlich.“

Deutliche Worte findet auch Knut Paul von der Bundespolizei, der seit 25 Jahren im Bundesgrenzschutz aktiv und seit 2014 Mitglied des Bündnisses für Flüchtlinge ist. „Wir sind der erste Ansprechpartner für die Flüchtlinge, und wir haben uns in den letzten zweieinhalb Jahren aufeinander zu bewegt.“

Dennoch seien viele Fehler im Umgang mit der Flüchtlingsthematik gemacht worden, so Paul. „Die Entwicklung der Flüchtlingszahlen war bereits seit 2010 zu erkennen. Trotzdem waren wir irgendwann mit unserer Polizeistärke am Limit.“ Zudem seien viele Flüchtlinge gar nicht registriert worden, weshalb man gar nicht genau wissen könne, wie viele Menschen tatsächlich nach Europa gekommen sind.

„Wir werden jeden Tag mit Zahlen bombardiert. Die Ausstellung von Ingeborg Heck-Böckler zeigt, dass dahinter Menschen mit einem Gesicht stehen, dass Schicksale zur Flucht führen und dass es Ursachen dafür gibt“, betont Knut Paul. Heck-Böckler wolle nicht schockieren. „Das brauchen wir auch nicht. Aber sie zeigt deutlich, dass wir etwas tun müssen.“

In den regelmäßigen Gesprächen während der Sprechstunden werde man mit viele erschütternden Erfahrungen der Flüchtlinge konfrontiert, schildert Heck-Böckler den Ursprung der Idee zur Ausstellung. „Ich wollte darüber berichten und mir selbst einen Eindruck von der Situation der Menschen machen. Dabei ging es mir nicht darum, nur den Schrecken zu zeigen.“

Sie habe sehr viel von den Flüchtlingen gelernt, und sie sei beeindruckt gewesen, mit welcher Würde die Menschen ihrem Schicksal begegneten, berichtet Heck-Böckler. „Wir wollten mit der Ausstellung verdeutlichen, dass es auch in Leid und Elend etwas Schönes gibt. Dazu zählt vor allem die Unterstützung, die viele Menschen täglich leisten, um den Flüchtlingen eine Perspektive zu bieten.“ Es sei die Pflicht Europas, diesen Menschen zu helfen, sagt Ingeborg Heck-Böckler.

Noch bis zum 6. Juni

Die Ausstellung ist noch bis Montag, 6. Juni, in der Nadelfabrik, Reichsweg 30, zu sehen. „Zudem findet am 6. Juni, 10 bis 17 Uhr, unser Bildungstag statt“, gibt Manuela Aye, Leiterin des Integration-Teams der RWTH Aachen, einen Ausblick. An diesem Tag seien Schülerinnen und Schüler sowie Studentinnen und Studenten eingeladen, sich die Ausstellung anzusehen und mit Experten aus Politik und Verbänden zu diskutieren.