Ungarns Regierung plant weiteres Gesetz, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen
Neues Gesetzespaket soll Ungarns Zivilgesellschaft weiter einschränken. Einsatz für Migranten und Flüchtlinge wird erschwert. Ungarische Sektion von Amnesty International legt gemeinsam mit anderen Organisationen Rechtsmittel gegen Drangsalierung durch Ungarns Regierung ein.
BERLIN, 06.02.2018 – Die ungarische Regierung plant erneut Schritte, um die Zivilgesellschaft weiter einzuschüchtern und das Engagement für die Menschenrechte zu erschweren. Mit einem neuen Gesetzespaket, das in Kürze ins Parlament eingebracht werden könnte, plant die Regierung des EU-Mitgliedsstaates, Nichtregierungsorganisationen (NGO) zu einer Registrierung zu zwingen und öffentlich als „illegal“ anzuprangern, wenn sie finanzielle Mittel aus dem Ausland erhalten und sich für die Rechte von Migranten und Flüchtlingen einsetzen. „Die ungarische Regierung will mit dieser geplanten Verschärfung Organisationen, die sich für Menschenrechte einsetzen, zu Staatsfeinden erklären“, sagt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland.
Die ungarische Amnesty-Sektion stünde durch die geplanten Gesetzesänderungen ebenfalls unter Druck: Ein Parlamentsmitglied der Regierungspartei warf den Menschen-rechts¬verteidigern öffentlich die „Unterstützung oder Organisation illegaler Migration“ vor. „Ungarns Regierung will diejenigen an den Pranger stellen und finanziell belasten, die sich für schutzsuchende Flüchtlinge einsetzen und damit für den Schutz der Menschenrechte“, sagt Beeko. So sieht das neue Gesetzespaket ferner vor, Gelder, die Organisationen aus dem Ausland erhalten, exorbitant zu besteuern. „Die ungarische Regierung will es als illegal brandmarken, sein Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit wahrzunehmen und Flüchtlinge zu unterstützen“, sagt Beeko. „Was wir derzeit in Ungarn beobachten, ist eine alarmierende Kampagne gegen das Engagement und die kritischen Stimmen der ungarischen Zivilgesellschaft.“
Unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit würde das Gesetzespaket weitere verschärfte Vorgaben neben dem sogenannten „NGO-Gesetz“ einführen, das seit Juni 2017 in Ungarn in Kraft ist: Nach diesem Gesetz werden Nichtregierungsorganisationen, die finanzielle Mittel aus dem Ausland erhalten, verstärkt unter Kontrolle gestellt. Die ungarische Amnesty-Sektion ist ebenfalls davon betroffen, widersetzt sich aber den rechtswidrigen Forderungen und hat gemeinsam mit anderen Organisationen Rechtsmittel dagegen eingelegt: „Ungarns ‚NGO-Gesetz‘ von 2017 verstößt gegen die Europäische Grundrechtecharta und die Europäische Menschenrechtskonvention“, erklärt Beeko. Anfang Dezember 2017 hat die Europäische Kommission Ungarn wegen des NGO-Gesetzes vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt.
„Unsere ungarischen Kollegen sowie andere NGOs wie das Ungarische Helsinki-Komitee und Budapest Pride haben sich nichts zu Schulden kommen lassen – ihr einziges Ziel ist, die Menschenrechte zu schützen. Wir fordern Ungarns Regierung auf, alle repressiven Maßnahmen zur Einschüchterung der ungarischen Zivilgesellschaft fallenzulassen und das ‚NGO-Gesetz‘ zurückzunehmen“, sagt Beeko.
Hintergrund
Neben Ungarn schränkt auch die polnische Regierung die Spielräume der Zivilgesellschaft zunehmend ein, so dokumentiert ein Amnesty-Bericht von Oktober 2017 unzulässige Eingriffe in die Meinungs- und Versammlungsfreiheit des EU-Mitgliedsstaates. In einem Bericht von Januar 2018 stellt außerdem die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte fest, dass zivilgesellschaftliche Organisationen in der Europäischen Union durch rechtliche und praktische Hürden bei ihrer Arbeit behindert werden – aus diesem Anlass findet am 7. Februar im Europäischen Parlament eine Debatte zum Thema „Immer weniger Raum für die Zivilgesellschaft“ statt.