Ägypten: Ein Staat im permanenten Ausnahmezustand

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­ ­ ­ ­ Die ägyptische Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit missbraucht routinemäßig Anti-Terrorismus-Gesetze, um Tausende von friedlichen Regierungskritikern strafrechtlich zu verfolgen und faire Gerichtsverfahren zu unterlaufen. Zu diesem Ergebnis kommt ein neuer Bericht von Amnesty International.

Den vollständigen englischsprachigen Bericht finden Sie hier.

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­ ­ ­ ­ BERLIN, 26.11.2019 – Im Bericht „Permanent State of Exception“ deckt Amnesty International auf, wie die Oberste Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit sich an Verschwindenlassen, willkürlichem Freiheitsentzug, Folter und Misshandlung beteiligt. Die Oberste Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit ist eine Sonderabteilung der Staatsanwaltschaft, die für die Untersuchung von Aktivitäten zuständig ist, die mutmaßlich die nationale Sicherheit bedrohen. Sie hält Tausende von Menschen aus fadenscheinigen Gründen – wie regierungskritische Beiträge in den sozialen Medien – über einen längeren Zeitraum fest und missachtet immer wieder das Recht auf ein faires Verfahren.

„Die Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit bedient sich einer erweiterten Definition des Begriffs ‚Terrorismus‘, unter den auch friedlicher Protest, Beiträge in den sozialen Medien und legitime politische Aktivitäten fallen. Im Namen der Terrorbekämpfung werden friedliche Kritiker der Regierung willkürlich festgenommen, eingeschüchtert und wie Staatsfeinde behandelt. Die Anklagebehörde hat sich zu einem zentralen Element der Unterdrückung entwickelt“, sagt Ruth Jüttner, Leiterin des Teams Regionen und Themen bei Amnesty International in Deutschland.

Seit dem Amtsantritt von Präsident Abdel Fattah al-Sisi im Jahr 2013 hat sich die Zahl der von der Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit verfolgten Fälle fast verdreifacht – von rund 529 Fällen im Jahr 2013 auf 1739 im Jahr 2018.

Die Verfahren der Anklagebehörde ermöglichen es den Behörden, Verdächtige während der Ermittlungen offiziell in „Untersuchungshaft“ zu nehmen. In Wirklichkeit werden viele von ihnen jedoch auf der Grundlage geheimpolizeilicher Ermittlungen und ohne Rückgriff auf wirksamen Rechtsbehelf monate- und in einige Fällen jahrelang ohne Beweise und ohne Anklageerhebung festgehalten. Auf diese Weise konnten die Behörden die Praxis der langen Verwaltungshaft fortsetzen, wie sie unter der Notstandsgesetzgebung unter Präsident Mubarak in Ägypten praktiziert wurde, bis ein Urteil des Obersten Verfassungsgerichts von 2013 diese Praxis für verfassungswidrig erklärte.

Vor zwei Monaten reagierten die ägyptischen Behörden auf den Ausbruch von Protesten mit einer massiven Inhaftierungswelle, bei der in wenigen Wochen mehr als 4000 Personen, viele davon willkürlich, festgenommen wurden. Die Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit hat in der überwiegenden Mehrheit dieser Fälle wegen der angeblichen Beteiligung an Protesten und Anschuldigungen im Zusammenhang mit „Terrorismus“ ermittelt.

Der Bericht von Amnesty International dokumentiert 138 Fälle zwischen 2013 und 2019, in denen die Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit Inhaftierungen anordnete. 56 Personen wurden wegen ihrer Teilnahme an Protesten oder wegen ihrer Äußerungen in sozialen Medien festgenommen, 76 aufgrund ihrer politischen oder menschenrechtlichen Aktivitäten oder ihres politischen Hintergrunds und sechs wegen der vermeintlichen Beteiligung an Gewalttaten.

Eine von ihnen ist die junge Mutter und Menschenrechtsaktivistin Amal Fathy, die im Mai 2018 in einem Facebook-Video sexualisierte Gewalt gegen Frauen in Ägypten anprangerte. Die 35-Jährige kritisierte die Regierung al-Sisi für ihr Versagen, sexuelle Gewalt gegen Frauen wirksam zu bekämpfen. Zwei Tage später wurde sie von der Polizei festgenommen. Ihr wird vorgeworfen, falsche Nachrichten verbreitet zu haben, um dem ägyptischen Staat zu schaden. Ende September 2018 verurteilte ein Gericht sie zu zwei Jahren Gefängnis und einem Bußgeld. In einem zweiten Verfahren wurde ihr neben anderen Punkten auch die Mitgliedschaft in einer terroristischen Gruppe vorgeworfen. Aktuell ist Fathy gegen Kaution auf freiem Fuß, doch sie könnte jederzeit wieder inhaftiert werden.

Wie die Ermittlungen von Amnesty ergaben, befanden sich Häftlinge durchschnittlich 345 Tage, in einem Fall sogar 1263 Tage in Untersuchungshaft, bevor sie ohne Gerichtsverfahren freigelassen wurden. In dieser Zeit wurden die Gefangenen selten mehr als einmal befragt.

Der Bericht von Amnesty International zeigt auch, dass die Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit an Fällen von Verschwindenlassen und Folter beteiligt ist. Sie vernachlässigt systematisch die Untersuchung von Vorwürfen über Folter oder Verschwindenlassen und lässt „Geständnisse“, die durch Folter erzwungen wurden, als Beweismittel vor Gericht zu. In einigen Fällen wurden die Angeklagten anschließend zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Der Bericht dokumentiert 112 Fälle von Verschwindenlassen über Zeiträume von bis zu 183 Tagen durch Sicherheitskräfte, hauptsächlich durch die National Security Agency, einer auf die Staatssicherheit spezialisierte Polizeibehörde.

„Die internationale Gemeinschaft darf die eklatanten Menschenrechtsverletzungen in Ägypten nicht aus wirtschaftlichen Gründen oder Sicherheitsinteressen ignorieren. Sie muss Ägypten auffordern, alle friedlichen Regierungskritiker freizulassen und die Praxis der Unterdrückung durch die Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit zu beenden“, so Ruth Jüttner weiter.



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Heute im Bundestag Nr. 1347 – Beratungsangebote für LSBTI-Flüchtlinge

hib – heute im bundestag Nr. 1347 Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen
Do., 28. November 2019, Redaktionsschluss: 15.14 Uhr

  1. Beratungsangebote für LSBTI-Flüchtlinge

06. Beratungsangebote für LSBTI-Flüchtlinge

Inneres und Heimat/Antwort

Berlin: (hib/STO) Eine Auflistung von Beratungsstellen mit speziellen Beratungsangeboten für geflüchtete Lesben, Schwule, Bisexuelle sowie trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) enthält die Antwort der Bundesregierung (19/14367) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/13773). Darin werden insgesamt 74 solcher Stellen im gesamten Bundesgebiet genannt.

Rückblick auf die Veranstaltung „Die Europäische Union – Anspruch und Wirklichkeit einer Wertegemeinschaft“

Rund 40 Interessierte nahmen an unserer Veranstaltung in Kooperation der Evangelischen Stadtakademie, dem Eine-Welt-Forum, den Katholikenräten Aachen Stadt und Aachen Land, der Save-me-Kampagne und Amnesty International teil.
Auch wenn es durchaus Übereinstimmung gab, dass die Errungenschaften einer Europäischen Union positiv zu bewerten sind, wurde deutlich, dass wir keine zu hohen Erwartungen haben sollten. Dies wurde in den sich gut ergänzenden Beiträgen deutlich.
In seinem Grußwort formulierte Katholikenrat-Vorsitzender Holger Brantin ein klares „Ja“ zu Europa. Auch das Versagen bei der Flüchtlingsaufnahme wurde deutlich benannt. Uwe Beyer führte gut in die Fragestellungen nach einer Europäischen Wertegemeinschaft ein. Markus Beeko wies auf das Positive und die Chancen einer Europäischen Union hin, zeigte aber auch Defizite und verpasste Chancen auf. Die wissenschaftliche Perspektive, die Professor Richter vertrat, machte klar: Die Ziele der Europäischen Union sind hochgesteckt und seiner Meinung nach an vielen Punkten nicht erreichbar. Die Hoffnung auf ein einheitliches Asyl- und Migrationsrecht hält er für unrealistisch.
Der Austausch über das spannende Thema wurde sowohl während der Veranstaltung, als auch nach Ende der Vorträge bei einem kleinen Imbiss lebhaft geführt.

Da auch Markus Beeko das Thema Flüchtlinge in seinem Beitrag benannte, sammelten wir bereits (in Abstimmung mit dem SdS) zu einem Fall aus dem Briefmarathon Unterschriften: Anstatt das Leben und die Rechte von Menschen auf der Flucht zu schützen, kriminalisieren die griechischen Behörden engagierte Lebensretter_innen: Sarah Mardini und Seán Binder arbeiteten für eine Flüchtlingshilfsorganisation auf Lesbos – wegen dieses Einsatzes drohen ihnen bis zu 25 Jahre Haft. Menschen auf der Flucht zu retten, ist kein Verbrechen. Nicht zu helfen, darf keine Option sein!

Wer den Briefmarathon auch unterstützen möchte: Am 10. Dezember 2019, dem Tag der Menschenrechte, haben wir dazu von 10 bis 17 Uhr einen Infostand in der Aachener Citykirche.

Flüchtlingskinder: Verloren, Verraten, Vergessen!?

ZUR VERABSCHIEDUNG DER KINDERRECHTSKONVENTION AM 20.NOVEMBER 1989

Flüchtlingskinder: Verloren, Verraten, Vergessen!?
geschrieben von MIGAZIN-Redaktion am 20. November 2019

Die Verabschiedung der Kinderrechtskonvention am 20. November 1989 durch die Vereinten Nationen wurde von der Politik als „Meilenstein“ in der Entwicklung des Völkerrechts, ihre Ratifizierung durch den Deutschen Bundestag im April 1992 als „Sternstunde“ für die Menschenrechte gefeiert. Erstmal wurden Kindern und Jugendlichen grundlegende und umfassende Rechte auf Schutz, Grundversorgung sowie Mitbestimmung und Beteiligung garantiert. Zu den zentralen Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention gehören das absolute Diskriminierungsverbot und der Vorrang des Kindeswohls.

Artikel 22 verpflichtet die Vertragsstaaten, Flüchtlingsschutz suchenden Kindern die Einreise und den Aufenthalt zu gestatten und sie in jugendhilferechtlicher Hinsicht wie einheimische (deutsche) Kinder zu behandeln. Die damalige Bundesregierung hatte jedoch – vor dem Hintergrund einer beispiellos aufgeheizten Asyldebatte 1991/92 im Vorfeld der Änderung des Artikels 16 GG – bei der Ratifizierung eine Vorbehaltsklausel hinterlegt, die das Asyl- und Ausländerrecht über die Konvention stellte. Fortan bestimmten über fast zwei Jahrzehnte – bis zur Rücknahme der Vorbehalte im Sommer 2010 – nicht das Kindeswohl und das Prinzip des Optimums an Förderung und Entfaltung den rechtlichen und behördlichen Umgang Deutschlands mit Flüchtlingskindern, sondern: eingeschränkte Rechte, reduzierte Leistungen, ein unsicherer Aufenthaltsstatus, mangelnde Förderung und verweigerte Bildungsmöglichkeiten.
Kurze „Willkommenskultur“
In der kurzen Phase der „Willkommenskultur“ 2015 durchgeführte Änderungen des Aufenthalts – und Asylgesetzes zur Verfahrensfähigkeit (entgegen der bisherigen Vorschrift „erst“ mit Vollendung des 18. Lebensjahres) und umfangreiche Erweiterungen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes ließen kurzfristig auf eine grundlegende Verbesserung der Lage minderjähriger Geflüchteter hoffen.
Doch schon ab Herbst 2015 – vor dem Hintergrund flüchtlingsfeindlicher und rassistischer Vorfälle und eines gesellschaftlich atmosphärischen Rechtsrucks in Teilen der Bevölkerung – versäumte es die Bundesregierung, sich deutlich auf die Seite der Verfechter einer offenen und solidarischen Gesellschaft zu stellen, die – wie die Mitgliedsorganisationen der „National Coalition“, darunter PRO ASYL, terre des hommes und viele andere – sich seit vielen Jahren für die umfassende Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland einsetzen. Stattdessen hat die Große Koalition mit einem repressiven Rollback an Gesetzesverschärfungen (Asylpakete I und II, „Lex Ankerzentren“ u.a., bis hin zum „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“, besser: „Hau-ab-Gesetz“) „Ängste“ und Ressentiments sogenannter „besorgter Bürger“ bedient und Populisten und der organisierten Rechten damit noch Auftrieb gegeben.
Großer Handlungsbedarf
Insgesamt können einzelne Verbesserungen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Rechte und Bedürfnisse dieser besonders schutzbedürftigen Gruppe von Kindern und Jugendlichen in Deutschland noch immer massiv vernachlässigt werden: Nach wie vor leben viele geflüchtete Kinder und Jugendliche in aufenthaltsrechtlich unsicherer Situation; beim Zugang zu Schutz und Hilfe und bei der Wahrnehmung ihrer Rechte nach der UN-Kinderrechtskonvention sind erhebliche rechtliche und tatsächliche Verschärfungen zu verzeichnen; noch immer gibt es gravierende Defizite bei behördlich angeordneten willkürlichen Altersfiktionen, auch die Anwendung medizinisch fragwürdiger und zweifelhafter Methoden ist nach wie vor nicht ausgeschlossen; geflüchtete Kinder können weiterhin in Abschiebungshaft kommen; Unterbringung und beschleunigte Verfahren in sog. Ankerzentren gefährden ihre ungehinderte Entwicklung und Integration; die  Ablehnungen von Familienzusammenführungen für Kinder und Jugendliche durch deutsche Behörden stellt eine schwerwiegende Verletzung der Artikel 3, 9 und 10 der UN-Kinderrechtskonvention dar; und nach wie vor werden unbegleitete Minderjährige an der Grenze abgewiesen oder zurückgeschoben.
Auch 30 Jahre nach der Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention besteht ein großer Handlungsbedarf für ihre umfassende Umsetzung in Deutschland.
Eine noch größere Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Menschenrechte für Kinder nach der UN-Kinderrechtskonvention besteht in der oft tödlichen Abwehr und systematischen Ignoranz der EU-Regierungen gegenüber den Schicksalen Tausender Flüchtlingskinder am Rande und an den Außengrenzen Europas.
Flüchtlingskinder Europas
In der Hoffnung auf ein besseres und friedliches Leben machten sich seit Beginn dieses Jahrhunderts Hunderttausende von Flüchtlingskindern mit ihren Eltern, mit Verwandten oder allein auf sich gestellt auf den Weg nach Europa. Sie flohen vor Krieg, Gewalt, Terror und Armut. Tausende kamen bei dem Versuch, hier ein Leben in Sicherheit führen zu können, ums Leben.
Sie ertranken im Mittelmeer, verdursteten in der Wüste, erstickten in Lastwagen und Containern, erfroren beim Überqueren von Gebirgspässen oder eisigen Grenzflüssen im Winter; sie starben in den Triebwerken von Flugzeugen oder an den Strapazen der Flucht; sie starben in Gefangenschaft, in den grausamsten Lagern Libyens; sie wurden Opfer von Ausbeutung, Folter, Misshandlung und Krankheiten. Tausende Kinder leben am Rande Europas in überfüllten Flüchtlingslagern unter unmenschlichen Bedingungen, ohne Schutz und Perspektive.
Diese Kinder sind die Flüchtlingskinder Europas, für die europäische Staaten und Regierungen gemeinsam Verantwortung tragen: Sie sind die unschuldigsten Opfer unverantwortlicher „Deals“ mit nationalistischen Autokraten und der Zusammenarbeit europäischer Regierungen mit menschenrechtlich bedenklichen Staaten; sie sind die Opfer der Unterstützung von Warlords und kriminellen Milizen durch die EU; sie sind Opfer einer verfehlten deutschen und europäischen Flüchtlings- und Kinderschutzpolitik.
In Frage gestellt
Diese Politik straft den Anspruch der EU als einer „Wertegemeinschaft“ – Europa als “Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ – Lügen. Die europäische Kinderflüchtlingsschutz-Politik stellt sich heute als grenzenlos- brutales System der Be- und Verhinderung der Inanspruchnahme des Asylrechts und von Schutz und Hilfe dar. Im Umgang mit der schwächsten und schutzbedürftigsten Gruppe von Flüchtlingen, den Flüchtlingskindern, zeigen zivilisierte Staaten, wie zivilisiert sie wirklich sind.
Solange noch Kinder auf der Suche nach Schutz im Mittelmeer und auf dem Weg nach Europa sterben oder in überfüllten Lagern verelenden und dahin vegetieren, solange bleiben der Humanitätsanspruch Deutschlands und Europas und ihre vielbeschworenen Werte „Menschenwürde“, „Freiheit“, „Demokratie“ und „Rechtsstaatlichkeit“ gänzlich in Frage gestellt.
Kinder – und Menschenrechtsorganisationen, die demokratischen Zivilgesellschaften Deutschlands und Europas sind gefordert, damit die „Sternstunde“ der Kinderrechte nicht als „Sternschnuppe“ verglüht.

Beitrag gedruckt von MiGAZIN: http://www.migazin.de

Neue Frontex-Verordnung im Amtsblatt

Die neue Frontex-Verordnung, genauer: Verordnung (EU) 2019/1896 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2019 über die Europäische Grenz- und Küstenwache und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) Nr. 1052/2013 und (EU) 2016/1624, ist in der  Ausgabe (L 295) des Amtsblattes der EU veröffentlicht worden – siehe

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L:2019:295:FULL&from=EN.

Globales Flüchtlingsforum tritt erstmals zusammen – Deutschland Mitausrichter – Merkel in Genf erwartet

UNHCR:

Staaten, Zivilgesellschaft, Experten und Wirtschaftsvertreter kommen
erstmals in der Form zusammen. Ziel: konkrete Zusagen und
Erfahrungsaustausch.


                 BERLIN, 11. NOVEMBER 2019

GLOBALES FLÜCHTLINGSFORUM TRITT ERSTMALS ZUSAMMEN – DEUTSCHLAND
MITAUSRICHTER – MERKEL IN GENF ERWARTET

Sechs Wochen vor Beginn des ersten Globalen Flüchtlingsforums hat sich
UNHCR, der Hohe Kommissar der Vereinten Nation für Flüchtlinge,
zuversichtlich über die Möglichkeiten der ersten Konferenz dieser Art
gezeigt. „Dieser internationale UN-Gipfel ist nicht nur die
Möglichkeit, eine wichtige Debatte wieder zu versachlichen. Die Welt
kann zugleich Solidarität mit denen zeigen, die die Hauptlast der
Flüchtlingskrise tragen. Und das sind fast immer die direkten
Nachbarländer“, sagte der Repräsentant des Hohen Kommissars in
Deutschland, Dominik Bartsch. „Es ist ein historischer Schritt, der
zeigt, dass die Welt etwas gegen die humanitäre Katastrophe unserer
Generation unternimmt.“

Die Einrichtung eines Globalen Flüchtlingsforums war vor einem Jahr im
Rahmen des Globalen Pakts für Flüchtlinge von den UN-Mitgliedsstaaten
beschlossen worden. Ziel ist es, alle Staaten, aber auch Vertreter der
Zivilgesellschaften, Wissenschaftler und Experten und nicht zuletzt die
Wirtschaft an einen Tisch zu bringen. Dabei soll es um Hilfe für die
weltweit 20,4 Millionen Flüchtlinge, aber auch um nachhaltige
Unterstützung für die Erstaufnahmeländer gehen. Thema sind zum einen
konkrete Zusagen, vor allem aber auch „Good Practice“: den Austausch
von Ideen, Erfahrungen und Konzepten, wie Flüchtlingen in den
Erstaufnahmeländern geholfen werden kann. Und es geht ebenso um
Integration – zum Nutzen der Flüchtlinge und auch der Gastländer.

Deutschland gehört zu den offiziellen Mitausrichtern des Genfer
Gipfels: „Das unterstreicht nicht nur das politisches Gewicht“,
sagte Bartsch. „Es ist auch ein Zeichen, wie sehr die Welt auf
Deutschland blickt: Als einziges Land unterstützt es nicht nur die
weltweite Arbeit von UNHCR entscheidend, sondern gewährt auch mehr als
einer Million Flüchtlingen Schutz.“ Für die globale Herausforderung
könne es nur eine globale Lösung geben, sagte Bartsch. „Erfahrungen
und Ideen aus Deutschland werden dabei eine entscheidende Rolle
spielen.“

Das erste Globale Flüchtlingsforum ist am 17. und 18. Dezember 2019 im
Genfer Palais des Nations und soll künftig alle vier Jahre stattfinden.
Eingeladen sind Vertreter aller 193 UN-Mitgliedsstaaten, dazu von NGOs,
Verbänden und Unternehmen – und natürlich Flüchtlinge. Etwa 400
Delegationen mit 1200 Teilnehmern sind angemeldet. Aus Deutschland wird
Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet. Der Fokus des Globalen
Flüchtlingsforums liegt auf Flüchtlingen, nicht Migranten. Das Forum
ist öffentlich.

Wohl von Flüchtlingskindern nicht genug berücksichtigt

MiGAZIN – geschrieben von Redaktion am 7. November 2019

Deutschland muss das Kindeswohl laut Unicef bei den Entscheidungen über
den Aufenthaltsstatus stärker beachten. Kinderspezifische Fluchtgründe,
wie etwa Zwangsheirat oder eine drohende Rekrutierung als
Kindersoldaten, würden in Asylverfahren nicht obligatorisch abgefragt,
heißt es in dem Unicef-Bericht „Child-sensitive return“, der am Mittwoch
in Köln veröffentlicht wurde.

„Politik, Behörden und Gerichte in Deutschland müssen Kinder und deren
Wohl bei allen Entscheidungen vorrangig berücksichtigen,“ sagt Christian
Schneider, Geschäftsführer von Unicef Deutschland. Jede Entscheidung
über den Aufenthaltsstatus bestimme das weitere Leben der Kinder
fundamental.

Bundesweit gebe es keine einheitlichen Standards zur Berücksichtigung
der UN-Kinderrechtskonvention in Asylverfahren, kritisierte die
Hilfsorganisation. Vor allem das Recht der Kinder auf Mitsprache und
Beteiligung werde oft nicht berücksichtig. Zudem fehle es an
Beschwerdesystemen und Mentoringmöglichkeiten und es gebe kaum
altersgerechte Informationen über die Verfahren für geflüchtete oder
migrierte Kinder. Die Lebensumstände von Kindern in den jeweiligen
Rückkehrländern würden oft nicht ausreichend berücksichtigt, vor allem,
wenn die Familie aus einem sogenannten sicheren Herkunftsland komme.

Kinder selten in Abschiebehaft
Positiv sei hingegen zu bewerten, dass unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge in der Regel schnell einen Vormund bekommen und meist
besonders geschulte Mitarbeitende ihre Asylanhörungen übernehmen. Kinder
würden nur selten in Abschiebehaft genommen und in vielen Regionen gebe
es breite Netzwerke und starke Interessensverbände für betroffene
Kinder, hieß es weiter.

Für den Bericht analysierte Unicef mit dem Forschungsinstitut Sinus die
rechtliche Situation, wertete Daten und Studien zum Thema aus und
befragte im März und April 2019 insgesamt 18 Experten aus Politik,
Verwaltung und von Wohlfahrtsverbänden. Neben Deutschland wurde die
Studie auch in Schweden, den Niederlanden und Großbritannien ausgeführt.
(epd/mig)

„In die Türkei kann man durchaus Asylbewerber zurückschicken“ – Artikel auf ZEIT ONLINE

ZEIT-ONLINE, 7. November 2019, 13:56 Uhr
Filippo Grandi: „In die Türkei kann man durchaus Asylbewerber
zurückschicken“
Seit 2016 leitet Filippo Grandi das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Er
fordert: „Wir müssen endlich aufhören, immer nur alles durch die
europäische Brille zu betrachten.“
Von Martin Klingst, Genf

Artikel auf ZEIT ONLINE lesen:
https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-11/filippo-grandi-fluechtlinge-unhcr-vereinte-nationen-syrien-tuerkei?wt_zmc=sm.ext.zonaudev.mail.ref.zeitde.share.link.x

EGMR: Schweiz darf afghanischen Konvertiten nicht abschieben

MiGAZIN – geschrieben von Redaktion am 8. November 2019
Schweiz darf afghanischen Konvertiten nicht abschieben

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat der Schweiz
die Abschiebung eines zum Christentum konvertierten Afghanen in sein
Heimatland untersagt. Die Schweiz würde mit einer Abschiebung gegen das
Verbot unmenschlicher und entwürdigender Behandlung verstoßen, erklärte
der EGMR am Dienstag in Straßburg mit Blick auf die Gefahren, denen der
Mann in Afghanistan ausgesetzt wäre. Das Urteil kann innerhalb von drei
Monaten angefochten werden. (AZ: 32218/17)

Der Afghane kam laut EGMR vor rund fünf Jahren in die Schweiz und bat um
Asyl. Die zuständigen Stellen lehnten dies ab. Ein Gericht machte dem
EGMR zufolge geltend, dass er zwar nicht in seine Ursprungsregion, aber
in die Hauptstadt Kabul abgeschoben werden könne, wo er Familie habe.
Seine in der Schweiz erfolgte Konversion sei kein Hindernis, da die
Verwandten davon nichts wüssten.

Der EGMR befand nun, dass christliche Konvertiten in Afghanistan mit
Verfolgung durch verschiedene Gruppen und auch den Staat rechnen
müssten, es drohe sogar die Todesstrafe. Das Schweizer Gericht habe
nicht geprüft, wie der Mann unter diesen Umständen seinen Glauben
praktizieren könne. Wenn das Gericht meine, er solle dies nur im
Geheimen tun, stünde dem ein Urteil genau desselben Gerichts in einem
anderen Fall entgegen, erklärte der EGMR. Danach könne das tagtägliche
Verleugnen des eigenen Glaubens im Kontext der afghanischen Gesellschaft
unter Umständen als unerträglicher seelischer Druck charakterisiert
werden. (epd/mig)