Ägypten: Ein Staat im permanenten Ausnahmezustand
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Die
ägyptische
Staatsanwaltschaft für
Staatssicherheit
missbraucht routinemäßig
Anti-Terrorismus-Gesetze,
um Tausende von
friedlichen
Regierungskritikern
strafrechtlich zu
verfolgen und faire
Gerichtsverfahren zu
unterlaufen. Zu diesem
Ergebnis kommt ein neuer
Bericht von Amnesty
International. Den vollständigen englischsprachigen Bericht finden Sie hier. |
BERLIN,
26.11.2019 – Im Bericht „Permanent
State of Exception“ deckt Amnesty
International auf, wie die Oberste
Staatsanwaltschaft für
Staatssicherheit sich an
Verschwindenlassen, willkürlichem
Freiheitsentzug, Folter und
Misshandlung beteiligt. Die
Oberste Staatsanwaltschaft für
Staatssicherheit ist eine
Sonderabteilung der
Staatsanwaltschaft, die für die
Untersuchung von Aktivitäten
zuständig ist, die mutmaßlich die
nationale Sicherheit bedrohen. Sie
hält Tausende von Menschen aus
fadenscheinigen Gründen – wie
regierungskritische Beiträge in
den sozialen Medien – über einen
längeren Zeitraum fest und
missachtet immer wieder das Recht
auf ein faires Verfahren. „Die Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit bedient sich einer erweiterten Definition des Begriffs ‚Terrorismus‘, unter den auch friedlicher Protest, Beiträge in den sozialen Medien und legitime politische Aktivitäten fallen. Im Namen der Terrorbekämpfung werden friedliche Kritiker der Regierung willkürlich festgenommen, eingeschüchtert und wie Staatsfeinde behandelt. Die Anklagebehörde hat sich zu einem zentralen Element der Unterdrückung entwickelt“, sagt Ruth Jüttner, Leiterin des Teams Regionen und Themen bei Amnesty International in Deutschland. Seit dem Amtsantritt von Präsident Abdel Fattah al-Sisi im Jahr 2013 hat sich die Zahl der von der Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit verfolgten Fälle fast verdreifacht – von rund 529 Fällen im Jahr 2013 auf 1739 im Jahr 2018. Die Verfahren der Anklagebehörde ermöglichen es den Behörden, Verdächtige während der Ermittlungen offiziell in „Untersuchungshaft“ zu nehmen. In Wirklichkeit werden viele von ihnen jedoch auf der Grundlage geheimpolizeilicher Ermittlungen und ohne Rückgriff auf wirksamen Rechtsbehelf monate- und in einige Fällen jahrelang ohne Beweise und ohne Anklageerhebung festgehalten. Auf diese Weise konnten die Behörden die Praxis der langen Verwaltungshaft fortsetzen, wie sie unter der Notstandsgesetzgebung unter Präsident Mubarak in Ägypten praktiziert wurde, bis ein Urteil des Obersten Verfassungsgerichts von 2013 diese Praxis für verfassungswidrig erklärte. Vor zwei Monaten reagierten die ägyptischen Behörden auf den Ausbruch von Protesten mit einer massiven Inhaftierungswelle, bei der in wenigen Wochen mehr als 4000 Personen, viele davon willkürlich, festgenommen wurden. Die Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit hat in der überwiegenden Mehrheit dieser Fälle wegen der angeblichen Beteiligung an Protesten und Anschuldigungen im Zusammenhang mit „Terrorismus“ ermittelt. Der Bericht von Amnesty International dokumentiert 138 Fälle zwischen 2013 und 2019, in denen die Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit Inhaftierungen anordnete. 56 Personen wurden wegen ihrer Teilnahme an Protesten oder wegen ihrer Äußerungen in sozialen Medien festgenommen, 76 aufgrund ihrer politischen oder menschenrechtlichen Aktivitäten oder ihres politischen Hintergrunds und sechs wegen der vermeintlichen Beteiligung an Gewalttaten. Eine von ihnen ist die junge Mutter und Menschenrechtsaktivistin Amal Fathy, die im Mai 2018 in einem Facebook-Video sexualisierte Gewalt gegen Frauen in Ägypten anprangerte. Die 35-Jährige kritisierte die Regierung al-Sisi für ihr Versagen, sexuelle Gewalt gegen Frauen wirksam zu bekämpfen. Zwei Tage später wurde sie von der Polizei festgenommen. Ihr wird vorgeworfen, falsche Nachrichten verbreitet zu haben, um dem ägyptischen Staat zu schaden. Ende September 2018 verurteilte ein Gericht sie zu zwei Jahren Gefängnis und einem Bußgeld. In einem zweiten Verfahren wurde ihr neben anderen Punkten auch die Mitgliedschaft in einer terroristischen Gruppe vorgeworfen. Aktuell ist Fathy gegen Kaution auf freiem Fuß, doch sie könnte jederzeit wieder inhaftiert werden. Wie die Ermittlungen von Amnesty ergaben, befanden sich Häftlinge durchschnittlich 345 Tage, in einem Fall sogar 1263 Tage in Untersuchungshaft, bevor sie ohne Gerichtsverfahren freigelassen wurden. In dieser Zeit wurden die Gefangenen selten mehr als einmal befragt. Der Bericht von Amnesty International zeigt auch, dass die Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit an Fällen von Verschwindenlassen und Folter beteiligt ist. Sie vernachlässigt systematisch die Untersuchung von Vorwürfen über Folter oder Verschwindenlassen und lässt „Geständnisse“, die durch Folter erzwungen wurden, als Beweismittel vor Gericht zu. In einigen Fällen wurden die Angeklagten anschließend zum Tode verurteilt und hingerichtet. Der Bericht dokumentiert 112 Fälle von Verschwindenlassen über Zeiträume von bis zu 183 Tagen durch Sicherheitskräfte, hauptsächlich durch die National Security Agency, einer auf die Staatssicherheit spezialisierte Polizeibehörde. „Die internationale Gemeinschaft darf die eklatanten Menschenrechtsverletzungen in Ägypten nicht aus wirtschaftlichen Gründen oder Sicherheitsinteressen ignorieren. Sie muss Ägypten auffordern, alle friedlichen Regierungskritiker freizulassen und die Praxis der Unterdrückung durch die Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit zu beenden“, so Ruth Jüttner weiter. |
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