Herkunftsnennung in Medien hat drastisch zugenommen

Herkunftsnennung in Medien hat drastisch zugenommen 
geschrieben von Redaktion MIGAZIN am 11. Dezember 2019 

In der Berichterstattung über Gewaltdelikte in deutschen Medien hat die Nennung der Herkunft eines Verdächtigen nach Angaben des Journalismus-Forschers Thomas Hestermann drastisch zugenommen. 2014 habe die Nationalität mutmaßlicher Täter kaum eine Rolle gespielt, sagte der Professor der Hochschule Macromedia am Dienstag bei einer Veranstaltung des „Mediendienstes Integration“ in Berlin. In nur knapp fünf Prozent der Fernsehbeiträge sei sie genannt worden. Die Silvesternacht 2015/16 in Köln habe alles geändert, sagte Hestermann mit Verweis auf seine eigene Forschung: 2017 sei in jedem sechsten Fernsehbeitrag über Gewaltdelikte die Herkunft von Verdächtigen genannt worden, 2019 sogar in jedem dritten.
Hestermann, der gleiche Effekte auch bei einer Untersuchung überregionaler Zeitungen feststellte, sagte, genannt werde die Herkunft meist dann, wenn es Ausländer betreffe. Er warnte vor einem Zerrbild: 69 Prozent der Gewalttäter 2018 seien Deutsche gewesen, sagte er unter Berufung auf die Polizeistatistik. Das in Medien gezeichnete Bild sei damit nicht wahrheitsgetreu.

Pressekodex-Änderung  „krasse Fehlentscheidung“
Die Änderung der betreffenden Richtlinie im Pressekodex bezeichnete Hestermann als „krasse Fehlentscheidung“. Der Presserat als Selbstkontrollorgan der deutschen Presse hatte im Frühjahr 2017 entschieden, dass die Herkunft genannt werden kann, wenn ein „begründetes öffentliches Interesse“ daran besteht. Vorher galt, dass die Herkunft nur dann genannt werden soll, wenn ein Zusammenhang zur Tat besteht, etwa wenn die Tat nur durch die Nennung der Nationalität erklärbar wird. Die Richtlinie soll vor Diskriminierung schützen.
Hestermann sagte zugleich, viele Journalisten hielten sich nach wie vor an die alte Richtlinie. Dazu riet auch die Geschäftsführerin des Vereins „Neue deutsche Medienmacher*innen“, Konstantina Vassiliou-Enz. Die automatische Verknüpfung von Herkunft und Tat sei „unsachlich und unjournalistisch“, sagte sie. Nur in Ausnahmen sei die Nennung der Herkunft notwendig, um die Geschichte um eine Tat zu verstehen. Sie plädierte dafür, in Fällen, in denen die Herkunft genannt wird, auch zu erklären, warum das relevant ist. Ihr Verein setzt sich für diskriminierungsfreie Berichterstattung ein.

Polizei gegen Pauschale Vorgaben
Der stellvertretende Chefredakteur der „Sächsischen Zeitung“, Heinrich Maria Löbbers, verteidigte die 2016 von seiner Zeitung getroffene Entscheidung, die Herkunft eines Verdächtigen immer zu nennen. So wolle man dem Zerrbild entgegenwirken, weil auch bei deutschen Tätern die Nationalität genannt werde. Ausschlaggebend für die Berichterstattung sei aber die Relevanz des Deliktes, nicht die Herkunft. „Für unsere Region, glauben wir, ist es die richtige Entscheidung gewesen“, sagte Löbbers mit Blick auf die Auseinandersetzungen rund um „Pegida“ in Sachsen.
Der Pressesprecher der Berliner Polizei, Thilo Cablitz, wandte sich gegen die Forderung pauschaler Vorgaben für Pressemitteilungen der Polizei. Die Nennung der Herkunft müsse immer individuell abgewogen werden, sagte er. Auch er plädierte für die Nennung, wenn es für das Verständnis des Geschehenen notwendig sei. Auch in anderen Fällen sei es sinnvoll, Details wie die Nationalität zu nennen, etwa um einem „Frame“ entgegenzuwirken, sagte er. (epd/mig)

Kleine Anfrage Drucksache 19/13632

Kleine Anfrage Drucksache 19/13632 – Die migrationspolitische Kooperation der Bundesregierung und der Europäischen Union mit afrikanischen Staaten29. November 2019Informationen aus dem Deutschen Bundestag: Inneres; Heimat


http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/146/1914665.pdf

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UA zur Türkei – rechtswidrige Abschiebungen nach Syrien

Bitte unterstützen: Eilaktion zu rechtswidrigen Abschiebungen nach Syrien

Syrische Flüchtlinge sind nach wie vor von Abschiebungen aus der Türkei nach Syrien bedroht. Gleichzeitig planen die türkischen Behörden, eine große Zahl von ihnen in eine sogenannte „Sicherheitszone“ in Nordsyrien umzusiedeln. Dieses Gebiet ist eine aktive Konfliktzone – was nicht zuletzt die aktuellste türkische Militäroffensive in Nordostsyrien im Oktober 2019 belegt.
Hier bitte den Link nutzen und gleich online aktive werden:
https://www.amnesty.de/mitmachen/urgent-action/weiterhin-rechtswidrige-abschiebungen-nach-syrien?etcc_med=Newsletter&etcc_var=UA-NL&dat=KW47-2019

Amnesty: Geschäftsmodell von Google, Facebook & Co. bedroht elementare Menschenrechte – EU und Bundesregierung müssen handeln – Chance für europäische Alternative zu China und „Silicon Valley Wild West“

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­ ­ ­ ­ In einem neuen Bericht fordert die Menschenrechtsorganisation große Internet-Konzerne dazu auf, ihre Geschäftsmodelle der unbeschränkten Überwachung und Datenausbeutung radikal zu ändern, da sie unvereinbar sind mit dem Recht auf Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung. EU und Bundesregierung müssen ihrer Schutzpflicht nachkommen und elementare Menschenrechte auch für die digitale Moderne gewährleisten.

Den vollständigen englischsprachigen Bericht finden Sie hier.

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­ ­ ­ ­ BERLIN, 20.11.2019 – Die Dominanz von Onlinediensten, die u.a. Google und Facebook anbieten, geben diesen Unternehmen eine nie dagewesene Macht über die persönlichsten Daten von Millionen Menschen: 2,8 Milliarden Personen pro Monat nutzen einen Facebook-Dienst, mehr als 90 Prozent aller Internetsuchen finden auf Google statt und mehr als 2,5 Milliarden Handys nutzen das Google-Betriebssystem Android.

Das Internet ist eine grundlegende Infrastruktur für die Ausübung zahlreicher Menschenrechte. Facebook und Google sind Torhüter dieser digitalen Welt. Sie haben eine historisch einmalige Macht über den „digitalen öffentlichen Platz“ und bestimmen, unter welchen Bedingungen und mit welchen Einschränkungen Meinungs- und Informationsfreiheit online ausgeübt werden können – und welchen Preis man dafür zahlen muss.

„Wir alle sollten am modernen digitalen Leben teilnehmen können, ohne irgendjemandem die umfassende Erfassung, Überwachung, dauerhafte Speicherung und individualisierte Auswertung unserer persönlichsten Daten erlauben zu müssen, dazu gehören Interessen, Vorlieben, Abneigungen, Familienstand oder auch Einkaufsverhalten und Bewegungsmuster“, sagt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland und Mitglied der Amnesty-Arbeitsgruppe zu Menschenrechten in der digitalen Moderne.

Konzerne wie Facebook und Google sammeln Daten in einem unfassbaren, nie dagewesenen Ausmaß – unbeschränkt, dauerhaft. Dies umfasst nicht allein freiwillig zur Verfügung gestellte Informationen, sondern die digitale Erfassung und Überwachung aller Aktivitäten, weit über die Nutzung einzelner Social-Media-Plattformen hinaus. Auch ist es nicht auf die Daten derer beschränkt, die sich bewusst dafür entschieden haben, diese Dienste zu nutzen.

„Während internationales Recht und Verfassungen elementare Menschenrechte garantieren, staatliche Behörden reglementieren und diese einer rechtsstaatlichen Gewaltenkontrolle unterwerfen, haben diese Konzerne ein privates Überwachungsregime geschaffen, welches sich der unabhängigen öffentlichen Kontrolle weitgehend entzieht“, kritisiert Beeko. „Es braucht eine digitale Infrastruktur und Angebote, die Selbstbestimmung, Privatsphäre und Autonomie der Menschen respektieren und schützen. Die EU und die deutsche Bundesregierung sind gefordert, rechtsstaatliche Rahmenbedingen zu schaffen, um die Grund- und Menschenrechte kommender Generationen in einer digitalen Welt zu bewahren.“

Der neue Amnesty-Bericht „Surveillance Giants“ zeigt, dass die systematische umfassende dauerhafte Ausbeutung der Daten von Millionen Menschen durch Facebook und Google rasches politisches Handeln erfordert: „Genauso wie Regierungen die Rechte der Bevölkerung auf Nahrung, Kleidung und Unterkunft zu gewährleisten haben, sind sie auch hier gefragt, dem unkontrollierten Überwachungskapitalismus ein Ende zu setzen“, so Beeko. „In einem ersten Schritt sollten die Gesetzgeber es Unternehmen untersagen, den Zugang zu ihren Diensten davon abhängig zu machen, ob die Nutzer der Sammlung und Nutzung ihrer persönlichen Informationen zu Werbezwecken ‚zustimmen‘.“ ­ ­ ­ ­
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Ägypten: Ein Staat im permanenten Ausnahmezustand

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­ ­ ­ ­ Die ägyptische Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit missbraucht routinemäßig Anti-Terrorismus-Gesetze, um Tausende von friedlichen Regierungskritikern strafrechtlich zu verfolgen und faire Gerichtsverfahren zu unterlaufen. Zu diesem Ergebnis kommt ein neuer Bericht von Amnesty International.

Den vollständigen englischsprachigen Bericht finden Sie hier.

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­ ­ ­ ­ BERLIN, 26.11.2019 – Im Bericht „Permanent State of Exception“ deckt Amnesty International auf, wie die Oberste Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit sich an Verschwindenlassen, willkürlichem Freiheitsentzug, Folter und Misshandlung beteiligt. Die Oberste Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit ist eine Sonderabteilung der Staatsanwaltschaft, die für die Untersuchung von Aktivitäten zuständig ist, die mutmaßlich die nationale Sicherheit bedrohen. Sie hält Tausende von Menschen aus fadenscheinigen Gründen – wie regierungskritische Beiträge in den sozialen Medien – über einen längeren Zeitraum fest und missachtet immer wieder das Recht auf ein faires Verfahren.

„Die Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit bedient sich einer erweiterten Definition des Begriffs ‚Terrorismus‘, unter den auch friedlicher Protest, Beiträge in den sozialen Medien und legitime politische Aktivitäten fallen. Im Namen der Terrorbekämpfung werden friedliche Kritiker der Regierung willkürlich festgenommen, eingeschüchtert und wie Staatsfeinde behandelt. Die Anklagebehörde hat sich zu einem zentralen Element der Unterdrückung entwickelt“, sagt Ruth Jüttner, Leiterin des Teams Regionen und Themen bei Amnesty International in Deutschland.

Seit dem Amtsantritt von Präsident Abdel Fattah al-Sisi im Jahr 2013 hat sich die Zahl der von der Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit verfolgten Fälle fast verdreifacht – von rund 529 Fällen im Jahr 2013 auf 1739 im Jahr 2018.

Die Verfahren der Anklagebehörde ermöglichen es den Behörden, Verdächtige während der Ermittlungen offiziell in „Untersuchungshaft“ zu nehmen. In Wirklichkeit werden viele von ihnen jedoch auf der Grundlage geheimpolizeilicher Ermittlungen und ohne Rückgriff auf wirksamen Rechtsbehelf monate- und in einige Fällen jahrelang ohne Beweise und ohne Anklageerhebung festgehalten. Auf diese Weise konnten die Behörden die Praxis der langen Verwaltungshaft fortsetzen, wie sie unter der Notstandsgesetzgebung unter Präsident Mubarak in Ägypten praktiziert wurde, bis ein Urteil des Obersten Verfassungsgerichts von 2013 diese Praxis für verfassungswidrig erklärte.

Vor zwei Monaten reagierten die ägyptischen Behörden auf den Ausbruch von Protesten mit einer massiven Inhaftierungswelle, bei der in wenigen Wochen mehr als 4000 Personen, viele davon willkürlich, festgenommen wurden. Die Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit hat in der überwiegenden Mehrheit dieser Fälle wegen der angeblichen Beteiligung an Protesten und Anschuldigungen im Zusammenhang mit „Terrorismus“ ermittelt.

Der Bericht von Amnesty International dokumentiert 138 Fälle zwischen 2013 und 2019, in denen die Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit Inhaftierungen anordnete. 56 Personen wurden wegen ihrer Teilnahme an Protesten oder wegen ihrer Äußerungen in sozialen Medien festgenommen, 76 aufgrund ihrer politischen oder menschenrechtlichen Aktivitäten oder ihres politischen Hintergrunds und sechs wegen der vermeintlichen Beteiligung an Gewalttaten.

Eine von ihnen ist die junge Mutter und Menschenrechtsaktivistin Amal Fathy, die im Mai 2018 in einem Facebook-Video sexualisierte Gewalt gegen Frauen in Ägypten anprangerte. Die 35-Jährige kritisierte die Regierung al-Sisi für ihr Versagen, sexuelle Gewalt gegen Frauen wirksam zu bekämpfen. Zwei Tage später wurde sie von der Polizei festgenommen. Ihr wird vorgeworfen, falsche Nachrichten verbreitet zu haben, um dem ägyptischen Staat zu schaden. Ende September 2018 verurteilte ein Gericht sie zu zwei Jahren Gefängnis und einem Bußgeld. In einem zweiten Verfahren wurde ihr neben anderen Punkten auch die Mitgliedschaft in einer terroristischen Gruppe vorgeworfen. Aktuell ist Fathy gegen Kaution auf freiem Fuß, doch sie könnte jederzeit wieder inhaftiert werden.

Wie die Ermittlungen von Amnesty ergaben, befanden sich Häftlinge durchschnittlich 345 Tage, in einem Fall sogar 1263 Tage in Untersuchungshaft, bevor sie ohne Gerichtsverfahren freigelassen wurden. In dieser Zeit wurden die Gefangenen selten mehr als einmal befragt.

Der Bericht von Amnesty International zeigt auch, dass die Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit an Fällen von Verschwindenlassen und Folter beteiligt ist. Sie vernachlässigt systematisch die Untersuchung von Vorwürfen über Folter oder Verschwindenlassen und lässt „Geständnisse“, die durch Folter erzwungen wurden, als Beweismittel vor Gericht zu. In einigen Fällen wurden die Angeklagten anschließend zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Der Bericht dokumentiert 112 Fälle von Verschwindenlassen über Zeiträume von bis zu 183 Tagen durch Sicherheitskräfte, hauptsächlich durch die National Security Agency, einer auf die Staatssicherheit spezialisierte Polizeibehörde.

„Die internationale Gemeinschaft darf die eklatanten Menschenrechtsverletzungen in Ägypten nicht aus wirtschaftlichen Gründen oder Sicherheitsinteressen ignorieren. Sie muss Ägypten auffordern, alle friedlichen Regierungskritiker freizulassen und die Praxis der Unterdrückung durch die Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit zu beenden“, so Ruth Jüttner weiter.



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Heute im Bundestag Nr. 1347 – Beratungsangebote für LSBTI-Flüchtlinge

hib – heute im bundestag Nr. 1347 Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen
Do., 28. November 2019, Redaktionsschluss: 15.14 Uhr

  1. Beratungsangebote für LSBTI-Flüchtlinge

06. Beratungsangebote für LSBTI-Flüchtlinge

Inneres und Heimat/Antwort

Berlin: (hib/STO) Eine Auflistung von Beratungsstellen mit speziellen Beratungsangeboten für geflüchtete Lesben, Schwule, Bisexuelle sowie trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) enthält die Antwort der Bundesregierung (19/14367) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/13773). Darin werden insgesamt 74 solcher Stellen im gesamten Bundesgebiet genannt.

Rückblick auf die Veranstaltung „Die Europäische Union – Anspruch und Wirklichkeit einer Wertegemeinschaft“

Rund 40 Interessierte nahmen an unserer Veranstaltung in Kooperation der Evangelischen Stadtakademie, dem Eine-Welt-Forum, den Katholikenräten Aachen Stadt und Aachen Land, der Save-me-Kampagne und Amnesty International teil.
Auch wenn es durchaus Übereinstimmung gab, dass die Errungenschaften einer Europäischen Union positiv zu bewerten sind, wurde deutlich, dass wir keine zu hohen Erwartungen haben sollten. Dies wurde in den sich gut ergänzenden Beiträgen deutlich.
In seinem Grußwort formulierte Katholikenrat-Vorsitzender Holger Brantin ein klares „Ja“ zu Europa. Auch das Versagen bei der Flüchtlingsaufnahme wurde deutlich benannt. Uwe Beyer führte gut in die Fragestellungen nach einer Europäischen Wertegemeinschaft ein. Markus Beeko wies auf das Positive und die Chancen einer Europäischen Union hin, zeigte aber auch Defizite und verpasste Chancen auf. Die wissenschaftliche Perspektive, die Professor Richter vertrat, machte klar: Die Ziele der Europäischen Union sind hochgesteckt und seiner Meinung nach an vielen Punkten nicht erreichbar. Die Hoffnung auf ein einheitliches Asyl- und Migrationsrecht hält er für unrealistisch.
Der Austausch über das spannende Thema wurde sowohl während der Veranstaltung, als auch nach Ende der Vorträge bei einem kleinen Imbiss lebhaft geführt.

Da auch Markus Beeko das Thema Flüchtlinge in seinem Beitrag benannte, sammelten wir bereits (in Abstimmung mit dem SdS) zu einem Fall aus dem Briefmarathon Unterschriften: Anstatt das Leben und die Rechte von Menschen auf der Flucht zu schützen, kriminalisieren die griechischen Behörden engagierte Lebensretter_innen: Sarah Mardini und Seán Binder arbeiteten für eine Flüchtlingshilfsorganisation auf Lesbos – wegen dieses Einsatzes drohen ihnen bis zu 25 Jahre Haft. Menschen auf der Flucht zu retten, ist kein Verbrechen. Nicht zu helfen, darf keine Option sein!

Wer den Briefmarathon auch unterstützen möchte: Am 10. Dezember 2019, dem Tag der Menschenrechte, haben wir dazu von 10 bis 17 Uhr einen Infostand in der Aachener Citykirche.

Flüchtlingskinder: Verloren, Verraten, Vergessen!?

ZUR VERABSCHIEDUNG DER KINDERRECHTSKONVENTION AM 20.NOVEMBER 1989

Flüchtlingskinder: Verloren, Verraten, Vergessen!?
geschrieben von MIGAZIN-Redaktion am 20. November 2019

Die Verabschiedung der Kinderrechtskonvention am 20. November 1989 durch die Vereinten Nationen wurde von der Politik als „Meilenstein“ in der Entwicklung des Völkerrechts, ihre Ratifizierung durch den Deutschen Bundestag im April 1992 als „Sternstunde“ für die Menschenrechte gefeiert. Erstmal wurden Kindern und Jugendlichen grundlegende und umfassende Rechte auf Schutz, Grundversorgung sowie Mitbestimmung und Beteiligung garantiert. Zu den zentralen Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention gehören das absolute Diskriminierungsverbot und der Vorrang des Kindeswohls.

Artikel 22 verpflichtet die Vertragsstaaten, Flüchtlingsschutz suchenden Kindern die Einreise und den Aufenthalt zu gestatten und sie in jugendhilferechtlicher Hinsicht wie einheimische (deutsche) Kinder zu behandeln. Die damalige Bundesregierung hatte jedoch – vor dem Hintergrund einer beispiellos aufgeheizten Asyldebatte 1991/92 im Vorfeld der Änderung des Artikels 16 GG – bei der Ratifizierung eine Vorbehaltsklausel hinterlegt, die das Asyl- und Ausländerrecht über die Konvention stellte. Fortan bestimmten über fast zwei Jahrzehnte – bis zur Rücknahme der Vorbehalte im Sommer 2010 – nicht das Kindeswohl und das Prinzip des Optimums an Förderung und Entfaltung den rechtlichen und behördlichen Umgang Deutschlands mit Flüchtlingskindern, sondern: eingeschränkte Rechte, reduzierte Leistungen, ein unsicherer Aufenthaltsstatus, mangelnde Förderung und verweigerte Bildungsmöglichkeiten.
Kurze „Willkommenskultur“
In der kurzen Phase der „Willkommenskultur“ 2015 durchgeführte Änderungen des Aufenthalts – und Asylgesetzes zur Verfahrensfähigkeit (entgegen der bisherigen Vorschrift „erst“ mit Vollendung des 18. Lebensjahres) und umfangreiche Erweiterungen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes ließen kurzfristig auf eine grundlegende Verbesserung der Lage minderjähriger Geflüchteter hoffen.
Doch schon ab Herbst 2015 – vor dem Hintergrund flüchtlingsfeindlicher und rassistischer Vorfälle und eines gesellschaftlich atmosphärischen Rechtsrucks in Teilen der Bevölkerung – versäumte es die Bundesregierung, sich deutlich auf die Seite der Verfechter einer offenen und solidarischen Gesellschaft zu stellen, die – wie die Mitgliedsorganisationen der „National Coalition“, darunter PRO ASYL, terre des hommes und viele andere – sich seit vielen Jahren für die umfassende Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland einsetzen. Stattdessen hat die Große Koalition mit einem repressiven Rollback an Gesetzesverschärfungen (Asylpakete I und II, „Lex Ankerzentren“ u.a., bis hin zum „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“, besser: „Hau-ab-Gesetz“) „Ängste“ und Ressentiments sogenannter „besorgter Bürger“ bedient und Populisten und der organisierten Rechten damit noch Auftrieb gegeben.
Großer Handlungsbedarf
Insgesamt können einzelne Verbesserungen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Rechte und Bedürfnisse dieser besonders schutzbedürftigen Gruppe von Kindern und Jugendlichen in Deutschland noch immer massiv vernachlässigt werden: Nach wie vor leben viele geflüchtete Kinder und Jugendliche in aufenthaltsrechtlich unsicherer Situation; beim Zugang zu Schutz und Hilfe und bei der Wahrnehmung ihrer Rechte nach der UN-Kinderrechtskonvention sind erhebliche rechtliche und tatsächliche Verschärfungen zu verzeichnen; noch immer gibt es gravierende Defizite bei behördlich angeordneten willkürlichen Altersfiktionen, auch die Anwendung medizinisch fragwürdiger und zweifelhafter Methoden ist nach wie vor nicht ausgeschlossen; geflüchtete Kinder können weiterhin in Abschiebungshaft kommen; Unterbringung und beschleunigte Verfahren in sog. Ankerzentren gefährden ihre ungehinderte Entwicklung und Integration; die  Ablehnungen von Familienzusammenführungen für Kinder und Jugendliche durch deutsche Behörden stellt eine schwerwiegende Verletzung der Artikel 3, 9 und 10 der UN-Kinderrechtskonvention dar; und nach wie vor werden unbegleitete Minderjährige an der Grenze abgewiesen oder zurückgeschoben.
Auch 30 Jahre nach der Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention besteht ein großer Handlungsbedarf für ihre umfassende Umsetzung in Deutschland.
Eine noch größere Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Menschenrechte für Kinder nach der UN-Kinderrechtskonvention besteht in der oft tödlichen Abwehr und systematischen Ignoranz der EU-Regierungen gegenüber den Schicksalen Tausender Flüchtlingskinder am Rande und an den Außengrenzen Europas.
Flüchtlingskinder Europas
In der Hoffnung auf ein besseres und friedliches Leben machten sich seit Beginn dieses Jahrhunderts Hunderttausende von Flüchtlingskindern mit ihren Eltern, mit Verwandten oder allein auf sich gestellt auf den Weg nach Europa. Sie flohen vor Krieg, Gewalt, Terror und Armut. Tausende kamen bei dem Versuch, hier ein Leben in Sicherheit führen zu können, ums Leben.
Sie ertranken im Mittelmeer, verdursteten in der Wüste, erstickten in Lastwagen und Containern, erfroren beim Überqueren von Gebirgspässen oder eisigen Grenzflüssen im Winter; sie starben in den Triebwerken von Flugzeugen oder an den Strapazen der Flucht; sie starben in Gefangenschaft, in den grausamsten Lagern Libyens; sie wurden Opfer von Ausbeutung, Folter, Misshandlung und Krankheiten. Tausende Kinder leben am Rande Europas in überfüllten Flüchtlingslagern unter unmenschlichen Bedingungen, ohne Schutz und Perspektive.
Diese Kinder sind die Flüchtlingskinder Europas, für die europäische Staaten und Regierungen gemeinsam Verantwortung tragen: Sie sind die unschuldigsten Opfer unverantwortlicher „Deals“ mit nationalistischen Autokraten und der Zusammenarbeit europäischer Regierungen mit menschenrechtlich bedenklichen Staaten; sie sind die Opfer der Unterstützung von Warlords und kriminellen Milizen durch die EU; sie sind Opfer einer verfehlten deutschen und europäischen Flüchtlings- und Kinderschutzpolitik.
In Frage gestellt
Diese Politik straft den Anspruch der EU als einer „Wertegemeinschaft“ – Europa als “Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ – Lügen. Die europäische Kinderflüchtlingsschutz-Politik stellt sich heute als grenzenlos- brutales System der Be- und Verhinderung der Inanspruchnahme des Asylrechts und von Schutz und Hilfe dar. Im Umgang mit der schwächsten und schutzbedürftigsten Gruppe von Flüchtlingen, den Flüchtlingskindern, zeigen zivilisierte Staaten, wie zivilisiert sie wirklich sind.
Solange noch Kinder auf der Suche nach Schutz im Mittelmeer und auf dem Weg nach Europa sterben oder in überfüllten Lagern verelenden und dahin vegetieren, solange bleiben der Humanitätsanspruch Deutschlands und Europas und ihre vielbeschworenen Werte „Menschenwürde“, „Freiheit“, „Demokratie“ und „Rechtsstaatlichkeit“ gänzlich in Frage gestellt.
Kinder – und Menschenrechtsorganisationen, die demokratischen Zivilgesellschaften Deutschlands und Europas sind gefordert, damit die „Sternstunde“ der Kinderrechte nicht als „Sternschnuppe“ verglüht.

Beitrag gedruckt von MiGAZIN: http://www.migazin.de